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Little bit of history deleting: Die Expansion der Historizität

Charakteristisch für einen Trend in der zeitgenössischen künstlerischen Praxis wie in dieser Ausstellung der Kuratorin Isin Önol, ist ein implizierter Bezug zur Realität. Die analytisch tiefer gehende Expansion der Historizität - im Gegensatz zum Journalismus - belebt aktuell wieder eine zentrale Funktion der Kunst als kritische Beobachterin gesellschaftlicher Entwicklungen. Die Rezeption von Kunst im Kontext der Galerien und Museen machen u.a. durch die "Zeitlichkeit" des Verweilens tiefergehenden Analysen möglich, was die vom Boulevard vorgegebenen Denkschemata der Massenmedien, nicht vermögen. Die Ausstellung "little bit of history deleting", hat die Ambition, den Besucher mit den bewussten und unbewussten Erinnerungen, sowie Geschichts-Bildern und offiziellen Ikonographien der jeweiligen Kultur (Şakir Gokcebag) oder Nation (Peter Hoiss), in die der Mensch verwickelt ist, zu konfrontieren. Die Erfahrung der künstlerischen Arbeiten, mit einem ästhetischen, technischen, oder manchmal seltsam ikonographischen Bezug zueinander, wird besonders verdichtet durch das fühlbare Gewicht der besonderen Räume der Galerie, die sich katakombenartig tief unter der Erde erstrecken. Erinnerung, Historie und Biographie, so soll hier wohl vermittelt werden, stellen nie einen einheitlichen Block dar, sondern bestehen aus einer Vielzahl von individuellen und kollektiven fragmentierten Erinnerungen, in denen Realität und Fiktion miteinander verflochten und ständig, passend zu aktuellen Erfordernissen, umgeschrieben werden (Mirko Lazovic, Eva Beierheimer, Miram Laussegger, Fatih Aydogdu), ja miteinander um die Vorherrschaft ringen und so einen Platz für die Produktion komplexer und somit anfechtbarer Geschichte bilden. Im Kontext der Globalisierung entstehen ständig Strategien, bestrebt den jeweiligen Erfordernissen entsprechend "Authentizität" herzustellen, als eine Quelle der oberflächlichen Differenzierung eines immer gleichen Ziels, mit hoher medialer Nachfrage, die der Ansatz dieser Ausstellung zu durchbrechen sucht. Die vermeintliche Historizität wird in der Politik nach Hyung Min Yoon Arbeit aufs simplizistische verkürzt. Die medial vermittelte Wahrheit des Breaking News-Augenblicks kann trotz seiner scheinbaren Authentizität niemals reale Geschichte darstellen, sondern ist Ausdruck einer Politik selektiver oft sogar erfundener "Wahrheiten", im jeweiligen Interesse der Mächtigen (Thomas Riess, Ardan Özmenoğlu, Gerald Zahn, Şakir Gökcebag). Wird die Geschichte weitgehend konstruiert verstanden, fragmentiert die performative Dimension der gegenwärtigen Event-Kultur die Geschichte weiter betont Ana Almeida die Gewissenskonflikte die aus der Ambiguität der medialen Bilder erwachsen. Deniz Alt befragt die Authentizität und Bedeutung des Dokumentes, welches der Historiker mit spezifischen Fragen im Archiv konsultiert. Die implizite Behauptung Bernard Cella's suggeriert das Kunstwerk wird schon durch seine blosse Existenz zum historischen Dokument. Durch die zum Teil erst post-factum im Verlauf der Geschichte entstehende, Hypothesen geleitete Interpretation eines (Kunst-)Historikers, wirft es die Frage nach der Kausaldirektion auf. Das Dokument als Kunstwerk oder umgekehrt ...? Sylvia Eckermann scheint mit ihrer Arbeit, treffend als "Kartographie des Unbestimmten" bezeichnet, dem verlorenen Individuum im Interpretationsraum Geschichte, der von „Lähmender Unbestimmtheit“ im „Im Dickicht der Unsicherheit“ bestimmt wird, spielerisch, durch an Kreuzworträtsel erinnernde Fragen zur Introspektion aufzufordern, um so Orientierung für den in weiter Ferne liegenden „seelischen Zustand der Überzeugtheit“ zu geben. Die durch intransparente Mächte scheinbar zustande kommende "semantisch strukturierte Form" des Kreuzworträtsels allerdings, wirkt an sich schon wieder trügerisch. Reduktion oder De-Kontextualisierung von Objekten auf vom Subjekt losgelöste (physiologische) Prozesse konnotiert von Einzelgeschichten als seltsame Ereignisse, gelegentlich als modernes "Stillleben" in der Erinnerung aufblitzend, nehmen in weiteren Arbeiten von Pinar Yoldas und Nika Kupyrova die individuellen Formen an, in denen die Grenze zwischen Realität und Fiktion surrealistisch verschwimmt.
Mehr Texte von Bariaa Mourad

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Little bit of history deleting
24.05 - 15.07.2013

GPL Contemporary
1010 Wien, Sonnenfelsgasse 6
Tel: +43 1 236 9 236, Fax: +43 1 236 9 236 9
Email: galerie@peithner-lichtenfels.at
http://www.peithner-lichtenfels.at
Öffnungszeiten: geschlossen


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