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Werner Hofmann 1928-2013

In Hamburg gibt es die in Europa einzigartige verkehrstechnische Situation einer Einbahnstraße, die abhängig von der Tageszeit ihre Richtung wechselt. Bis Mittag führt sie stadteinwärts, ab Punkt 12 Uhr gelangt man auf ihr nur mehr hinaus aus der Stadt. Man gewöhnt sich an so etwas als Anrainer, Werner Hofmann hat es amüsiert, dort in der Sierichstraße zu wohnen. War er dort auch beheimatet? Hofmann, sozialisiert in Wien, hatte aus seiner Studienzeit in Paris viel von französischem Denken beibehalten. In Hamburg, das sich selbst gerne als „Tor zur Welt“ bezeichnet, fand er mit der Kunsthalle den geeigneten Ort, für Ausstellungen wie der Reihe über die „Kunst um 1800“ oder Zeitgenössisches wie Joseph Beuys, Georg Baselitz oder Franz Erhard Walther. Auch über diese Zeit als Museumsdirektor hinaus hat er die Adresse beibehalten. In der Hansestadt angekommen konnte er zurückschauen auf seine ersten Berufserfahrungen in der Wiener Albertina, in den fünfziger Jahren, auf diversen Lehrtätigkeiten in den USA und den Aufbau einer Sammlung für das Museum des 20. Jahrhunders (heute mumok), dessen Gründungsdirektor er bis 1969 geblieben war. Er konnte die Blickrichtung wechseln auf vielfältig Zukünftiges, und Hofmann hatte immer, bis zum Schluss, ein interessantes Projekt vor sich.

Wie bei der Sierichstraße ließ sich auch Hofmann nicht auf eine Direktion festlegen, weder für die Kunst um 1800, noch für die Moderne (was sich ja eher bedingt als ausschließt), und für größere Projekte ließ er sich gerne bitten, temporär von der Alster an die Donau zurückzukehren. „Zauber der Medusa – Europäische Manierismen“ im Künstlerhaus visualisierte er, durchaus in Referenz zu Max Dvoƙák, als „Bewegung, deren Anfänge zu Beginn des 16. Jahrhunderts reichen und deren Wirkungen nie aufgehört haben“, zur Eröffnungsausstellung der Kunsthalle Krems widmete er sich als Kurator von „Wasser & Wein“, zwei Dingen des Lebens. Das Prinzip seiner ersten großen Publikation, „Das Irdische Paradies. Motive und Ideen des 19. Jahrhunderts“, erstmals erschienen 1960, hat er hierbei beibehalten. Es ging immer um Inhalte, nicht um Orte, und so wurden Phänomene stets nach Themen zusammengefasst, nicht nach Topographien.

Anfang der neunziger Jahre war Hofmann dann auch für ein Semester als Lehrer nach Wien gekommen, eine Vorlesung, ein Seminar, eine Übung vor Originalen, eine angenehm frische Brise wehte damals durch das Institut und ließ bisweilen erahnen, dass es irgendwo auf der Welt auch etwas anderes gab als die Wiener Version der Wiener Kunstgeschichte. Mit und ohne Manuskript waren jene Auftritte von eloquenter Brillanz. Seine Diskussionsbeiträge waren es ebenso, nicht nur mit den Studierenden. Als Alfred Hrdlickas „Straße waschender Jude“ als Auflagenobjekt in den Handel kommen sollte, kam es zu einer denkwürdigen Korrespondenz, die irgendwann in einem Kommentar in der „Zeit“ unter der Rubrik „Das Letzte“ ihren öffentlichen Höhepunkt fand. Publik wurde auch ein Freibrief, den der Museumsdirektor von Marcel Duchamp 1962 auf die Anfrage zum Kauf eines seiner Flaschentrockner für die Wiener Sammlung erhalten hatte. Jene Readymades waren im Atelier eben aus, doch verbriefte der Meister, dass man sich das Modell in Paris im Bazar de l' Hôtel de Ville auch selbst besorgen könne, dort müsste das eine Modell noch vorrätig sein. Und weil Readymades eben so funktionieren, hat Hofmann dann 1970 für die Hamburger Kunsthalle nochmals in Paris am Basar eingekauft.

Mit 84 Jahren, aber dennoch völlig unerwartet, ist Werner Hofmann, vielseitiger Kunsthistoriker und im besten Sinne des Wortes, wacher Zeitgenosse, letzten Mittwoch in Hamburg gestorben.

Mehr Texte von Daniela Gregori

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