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FIAC 2012: Wenig Kitsch, mehr Diskurs

Guido W. Baudach freut sich: "Das Publikum ist noch sehr französisch. Aber ich habe mit so vielen Leuten gesprochen, die seit langer Zeit das erste Mal wieder hier sind. Es ist Bewegung da." Mit "hier" meint der Berliner Galerist die Fiac im Pariser Grand Palais. Die lange dahinsiechende Traditionsveranstaltung verzeichnet seit der Übernahme der Leitung durch Jennifer Flay im Jahr 2008 einen kontinuierlichen Aufwärtstrend. Die nur durch lokalpolitische Sachzwänge zu erklärende Präsenz französischer Kitschgalerien der letzten Jahre gehört weitgehend der Vergangenheit an. War das Cour Carree du Louvre dadurch immer mehr zu einer ästhetischen Beleidigung verkommen, zeichnete sich schon im letzten Jahr mit der Integration des jungen Segments in das Grand Palais eine Trendwende ab. Im Umgang des Südflügels präsentiert sich jetzt - bis auf zwei oder drei Ausfälle - ein Best of der internationalen Avantgarde-Galerien, die sich sonst auf Liste oder Statements in Basel, der Frieze oder Sunday Art Fair in London oder der Turiner Artissima ein Stelldichein geben. Im Gegensatz zum auf den schnellen Umsatz getrimmten Kunst-Zirks anderswo versuchen die Aussteller hier allerdings eher mit Inhalten zu punkten. Eine nach Diskurs geradezu schreiende auf dem Boden liegende verdrehte Kühlschrankdichtung von Michael E. Smith aus Detroit (4.000 Euro), wie sie KOW aus Berlin präsentieren, dürfte in der Londoner Aufmerksamkeitsökonomie wenig Beachtung finden. In Paris sei das anders, meint Alexander Koch: "Die Intensität der Gespäche hier ist viel größer und wir können unsere Positionen viel tiefer vermitteln." Der Südosten und der Osten sind jeweils exemplarisch mit Galerien vertreten, die man zuletzt überall sieht: The Third Line (Dubai), Plan B (Kluj/Berlin), Rodeo (Istanbul), Zak Branicka (Krakau/Berlin), Kisterem (Budapest). Deren Dirketorin Margit Valkó ist glücklich über diese Entwicklung. Sie nimmt zur Zeit an sehr vielen Messen teil, weil der Kunstmarkt in Ungarn noch ein zartes Pfläzchen ist und die Umsätze im Ausland erwirtschaftet werden müssen. Sie weiß natürlich, dass sie es mit ihrer Provenienz in der Messewelt gerade relativ leicht hat, einen der begehrten Standplätze zu erhalten. Den Vertrauensvorschuss zahlt sie allerdings auch zurück. Sie bespielt ihre kleine Koje mit der ziemlich sperrigen Installation "Megashelter" von Tamás Kaszás (18.000 Euro). Kuratoren sowie etwas wagemutigere Sammler wissen die neue Frische der Fiac zu schätzen und kommen wieder zahlreicher nach Paris. Und nicht nur sie. In der Haupthalle im Erdgeschoss fällt der deutlich gestiegene Anteil internationaler Großgalerien auf. Paula Cooper, Metro Pictures, Matthew Marks, Cheim & Read (alle New York) etc. pp. Gerade die Liste der US-Amerikaner ist lang. 31 von ihnen listet der Katalog auf. Damit stellen sie das größte Auslands-Kontingent. Aus Deutschland kommen 29. Frankreich stellt nur noch gut ein Drittel der Teilnehmer. Da droht ein wenig die Gefahr des Immergleichen, wie London und Basel in den letzten Jahren zunehmend demonstrieren. Die Galerie Michael Werner ist ein der wenigen Beispiele dafür – die Wände werden geziert von einer beliebig wirkenden Auswahl mittelprächtiger Werke aus dem Galeriefundus von Oskar Schlemmer über Sigmar Polke bis... Doch der französische Markt ist anspruchsvoll und legt Wert auf seine lokalen Befindlichkeiten. Iwan Wirth von Hauser &Wirth (Zürich/London/New York) weiß das und hat sich darauf eingerichtet: "Je mehr Messen wir machen, umso präziser müssen wir arbeiten. Rita Ackermann ist in Frankreich sehr präsent und Paul McCarthy hatte in Paris schon immer viele Fans. Die beiden hier gegenüberzustellen, ist sehr spannend." Eine große braune Skulptur McCarthys mit Schwein und George W. Bush in eindeutiger Pose kostet immerhin zwei Millionen US-Dollar. Dass der Marktplatz das Potential für solche Ware hat, zeigen einige Verkäufe des ersten Tages: Helly Nahmad aus New York hat einen Käufer für einen Miro gefunden, der mit acht Millionen US-Dollar ausgepreist war. Der Pariser Zweig der italienischen Händlerfamilie Tornabuoni hat ein "Conceto Spaziale" von Lucio Fontana für zwei Millionen Euro verkauft. Und bei Cotemporary Fine Arts aus Berlin waren die großformatign Gemälde von Gert und Uwe Tobias bei Preisen bis zu 110.000 Euro zur Vernissage nach vier Stunden ausverkauft - Rodolphe Janssen, der die Künstler ebenfalls vertritt, machte keinen allzu glücklichen Eindruck. Freude hingegen bei Thomas Krinzinger aus Wien. Er hatte gerade die große Skulptur "Writer's Island" von Hans op de Beeck für 72.000 Euro an einen Schweizer Sammler verkauft. Ob die immer noch diffusen Steuerpläne der sozialistischen Regierung dabei eher verkaufsfördernd oder -hindernd sind, weiß jedoch aktuell niemand so genau zu sagen. Einheimische Kunden zeigten sich am ersten Tag zumindest bei den auswärtigen Galerien jedenfalls zurückhaltend. So meint Victor Gisler von der Züricher Galerie Mai 36: "Die neuen französischen Kunden haben wir bisher noch nicht gesehen. Aber wir sind ja auch erst das dritte Mal dabei." Immerhin, seine Außenskulptur von Jürgen Drescher in den Tuilerien habe viel Interesse erregt. Denn auch außerhalb des Grand Palais dreht sich die halbe Stadt um Kunst. Der bisher lohnendste Satellit, die Slick Art Fair hat das Zelt im Hof des Palais de Tokyo gegen eine Garage im Marais eingetauscht und hat sich dabei dankenswertweise verkleinert. Die Zahl der schlimmen französischen Galerien hat sich dadurch verkleinert, allerdings ohne dass sich dadurch der Anteil der Ausländer erhöht hätte. Die Galeristin, Kunstvermittlerin Caroline Smulders hat eine sehenswerte Verkaufsausstellung unter dem Titel "Unlimited Bodies" unter Beteiligung verschiedener Galerien kuratiert. Während es die show off und chic art fair zu kaum jemandes Bedauern gerissen hat, hält sich die - nun ja - alternative cutlog wacker in der historischen Börse. Und am Donnerstag locken die Galerien zum abendlichen Marathon.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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FIAC 2012
18 - 21.10.2012

FIAC
75000 Paris, Grand Palais
http://www.fiacparis.com


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