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Planung im Ex-Kaiserforum: Koordination bitte!

Der Befangenheiten gibt es viele, wenn ihre Causerie sich heute ins aktuelle Planungsgeschehen begibt. Berufs- und wohnortbedingt war ihr Verfasser schon seit jeher Power-User des ex-imperialen Stadtraums zwischen Heldenplatz, Maria-Theresien-Platz und Museumsquartier in Wien und zuletzt wurde die Nutzungsfrequenz noch durch die hier bereits häufiger zitierten Kinder erhöht, die kaum einen städtischen Außenbereich besser kennen, als jene Fläche zwischen der «großen Frau» (Maria Theresien-Denkmal) und dem «großen Hof» (Museumsquartier), mit dem Höhepunkt der rasanten Querung der «blöden» Museumsstraße innerhalb einer (gefühlt) viersekündigen Grünphase. Einst als Kaiserforum geplant, regierte im 19. Jahrhundert noch ein übergreifender Gestaltungsansatz für das gesamte Areal. Das 20. Jahrhundert brachte jene politischen Brüche mit sich, die dazu führten, dass dem Areal etwas Unvollendetes anhaftet, ein Umstand der etwa am Heldenplatz, an der offenen Seite zum Volksgarten, noch gut ablesbar ist. Zugleich bestand in der zweiten Republik ein gewisses Planungstabu für den Heldenplatz. Seit den frühen 00er Jahren führte jedoch der Erfolg des Museumsquartiers zu einer Ausweitung der touristischen «Mainstreet», die pfeilgerade vom Michaelerplatz bis zur ehemaligen Winterreithalle im Museumsquartier verläuft. Tausende Besucher täglich folgen damit übrigens jener Achse, deren Schlusspunkt der ehemalige Flakturm in der Stiftskaserne darstellt, an dessen Stelle der Otto Wagner Schüler Hans Mayr noch einen Dom mit Kaisergruft vorgesehen hatte. (1) Man muss diesen historischen und gegenwärtigen Funktionszusammenhang in Erinnerung rufen, da zur Zeit auf mindestens drei – für die Öffentlichkeit scheinbar nicht verknüpften – Ebenen über Neugestaltungen und Umbauten dieser Areale nachgedacht wird, wobei noch dazu strikt zwischen oberirdischen und unterirdischen Planungen unterschieden wird. Es täte Not, diese Ansätze zusammenzuführen und damit sicherzustellen, dass dieser bedeutende Stadtraum, einem qualitätvollen integrierten Planungsprozess zugeführt wird. Von Ost nach West: Auf der einen Seite der Ringstraße werden in einem primär geschichtspolitischen Diskurs die verschiedenen Gedenkfunktionen an der Oberfläche des Heldenplatz einer kritischen Infragestellung unterzogen, während die Österreichische Nationalbibliothek zum wiederholten Mal den Ausbau ihrer unterirdischen Speichermöglichkeiten fordert, ein notwendiges Vorhaben, welches häufig mit der Errichtung einer Busgarage verknüpft wird. Für den westlichen Teil des früheren Kaiserforums, den heutigen Maria-Theresien-Platz, präsentierten soeben die Leiter der architektonischen Zwillinge Kunsthistorisches Museum und Naturhistorisches Museum eine überarbeitete 90er Jahre-Planung zur unterirdischen Erschließung und Erweiterung ihrer Häuser, deren defensive Herangehensweise sich daran zeigt, dass hervorgehoben wird, die Gestaltung der Platzoberfläche unverändert lassen zu wollen. (2) Wer jedoch an der Oberfläche nichts ändern will, verschenkt stadträumliche Phantasie, was sich am deutlichsten daran zeigt, dass der Wehdorn-Entwurf für den Anschluss an das «Nachbargrundstück» Museumsquartier scheinbar nur einen Tunnel vorsieht, an dessen Ende dann wieder ein anderer getrennter Planungsprozess ansetzen müsste, der die Weiterentwicklung des Museumsquartiers und seines Vorplatzes zum Inhalt haben könnte. Doch gerade in der Integration des derzeit heftig befahrenen Museumsplatzes (wie die fünfspurige Museumsstraße hier euphemistisch heißt) in ein Gesamtkonzept läge das Potenzial zur Erschließung eines aufregenden Stadtraums, wenn etwa bedacht wird, dass die Gesamtfläche von Museumsquartiervorplatz und angrenzendem Straßenraum alleine ca. 25.000 m² beträgt, so dass eine Integration dieser Fläche den Maria-Theresien-Platz verdoppeln würde. Nimmt man – in Zeiten von Kasernenschließungen – das Gelände der Stiftskaserne noch als zusätzliche Option mit an den Zeichentisch, eröffnet sich entlang eines knappen Kilometers eine Zone mit vielfältigem Potenzial. Zumindest experimentell gibt es immer wieder Anstöße dazu, weitreichender über das Areal nachzudenken und insbesondere den Primat der Denkmäler und des Straßenverkehrs in Frage zu stellen: So präsentierte der Architekt Gerhard Steixner im Jahr 2000eine Studie, deren konzeptioneller Angelpunkt das Versenken und Versetzen des Maria-Theresien-Denkmals gewesen wäre, während der junge Landschaftsdesigner Alexander Schattovich, in der diesjährigen Abschlussausstellung der Angewandten, vorschlug, das Burgtor und alle Denkmäler zu entfernen, zu zermahlen und das daraus gewonnenen Gemisch für eine einheitliche Bodengestaltung zu verwenden. Für eine Angleichung der Niveaus und eine einheitliche Bodengestaltung (mit der Einbeziehung des Museumsplatzes als Shared Space) sprach sich auch der Leiter des Architekturzentrums Dietmar Steiner bei einer Podiumdiskussion aus, deren Titel bezeichnenderweise «Weiterbauen. Museumsquartier und Hofburg als unvollendete Projekte» trug. (3) Natürlich bestehen berechtigte Einwände dagegen, angesichts von urbaner Komplexität immer nach jenen Gesamtlösungen zu rufen, die nur in autoritär verfassten Regimes schnell verordnet und realisiert werden können, und es ist die Pflicht von Institutionsleiter_innen «pro Domo» zu agieren. Doch das gesamte Areal ist ohne Ausnahme öffentliches Gut. Alle Akteur_innen agieren im Namen der öffentlichen Hand und wenige andere Stadträume in der Verantwortung der Republik verdienen mehr politische, planerische und zivilgesellschaftliche Aufmerksamkeit, als jene symbolträchigen Orte, die sich die Demokratie, nach Monarchie und Diktatur als ihre eigenen aneignen konnte. Wie auch immer zukünftige Lösungen für die verschiedenen Anforderungen aussehen mögen: Eine koordinierte Herangehensweise auf höchstem planerischen Niveau – abgesichert durch internationale Wettbewerbe, Fachdiskurse und öffentliche Diskussionen - ist unumgänglich. -- (1) 1902 in seinen Überlegungen zu einem erweiterten Kaiserforum. Siehe dazu: Margaret Gottfried, Das Wiener Kaiserforum, Utopien zwischen Hofburg und Museumsquartier, Wien 2001 (2) Alle Angaben dazu lt. Thomas Trenklers Report im Standard vom 6.Oktober 2012 (3) Die von der Architekturhistorikerin Maria Welzig organisierte Diskussion am 12. Juni 2010 wurde vom Verfasser moderiert.
Mehr Texte von Martin Fritz

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
JA
bitteichweisswas | 09.10.2012 01:52 | antworten
zu einer grosszügigen Lösung (no na!) dieser Verbindungsachse zw den "Zwillingen" u d MQ, als bloss ein halbherziges, kleinmütiges Verbindungtunnel à la Erbsenzähler Wehdorn. Dafür soll die Bebauung d unnötigen "Seestadt Aspern" uä verblödeter peripherer Bauvorhaben ausgesetzt werden: "Stärkung d innerstädtischen Bereiche" - wohin letztendlich doch eh die meisten tendieren, sollte die visionäre Maxime lauten - auch wenn man i d Untergrund gehen muss !!!

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