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Warum nach Sternen greifen, wenn der Mond so tief hängt?

Zu wenig Zeit, viel zu wenig Zeit, antwortet der atemlose Museumsbesucher häufig entschuldigend auf die Frage, wie er denn die Videos von XY in der Ausstellung Z fand. Drei Tage Eröffnungsprogramm mit Open End in den nahenden Herbst hinein dürften daher genug Raum bieten, um sich für ein paar Minuten oder länger vor einen Bildschirm zu setzen. In jedem Fall hat die Videokunst auf der diesjährigen Open Art in München (14. bis 16. 9.) besondere Aufmerksamkeit verdient. Mehrere der insgesamt 65 Galerien zeigen bewegte Bilder, Videoloops und andere filmische Experimente. Darunter Geschichten mit Anfang und Ende, aber auch fragmentierte Erzählungen und sogar ein abstrakter Film ist dabei. Ein Rucksack mit quer gezurrter Isomatte und einem bekannten Helden als Aufdruck auf der Vordertasche: Che Guevara. Mit diesem Gepäck ist ein westlicher Tourist in Indien unterwegs. Er reist den Ganges entlang und findet sich schließlich in den unübersichtlichen Straßen einer Großstadt zwischen Rikschas, Motorrädern, Kühen und Geschäften wider. „Lonely Planet“ nennt Julian Rosefeldt seinen etwa 30minütigen Film, in dem er selbst die Hauptrolle spielt. Der Künstler, der seit letztem Jahr an der Akademie der Bildenden Künste München digitale und zeitbasierte Medien unterrichtet, kreuzt in seinen Szenen Elemente von Reisedokumentationen, Abenteuerfilmen und solchen, die typisch für die Werbeästhetik von Outdoorlabels sind. Der Künstler interessiert sich für die Umschlagpunkte von Film und Wirklichkeit, von Klischee und Erfahrung. In Kooperation mit der Sammlung Goetz zeigt die Barbara Gross Galerie mehrere Filme und Fotoarbeiten Julian Rosefeldts. Seine bildmächtigen Mehr-Kanal-Installationen mit drei bis fünf Screens an einer Wand sind in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste zu sehen. „The murders happen in the public, but no one witness has seen the killer. The killing is happening every day.“ Stimmen aus dem Off klingen wie Reporter, die vor Ort beobachten und berichten. Gleichzeitig ist die Londoner Skyline zu sehen, in Panik fliehende Menschen, ein Krankenwagen. Die Szenen in Melanie Gilligans fünfteiligem Episodendrama „Popular Unrest“ entwickeln sich in kürzester Zeit zu einem dramatischen Krimi. Die 1979 geborene Künstlerin kreuzt Elemente der Nachrichtenmedien mit der Ästhetik des Thrillers. Das Drama ist vor allem von amerikanischen Krimiserien wie Bones, CSI und Dexter inspiriert. Es findet aber zu einem sehr eigenen, für TV-Serien untypischen Erzählrhythmus, was mit der Fragmentierung der Episoden zusammenhängt, aber auch mit ungewöhnlich langen Verweilphasen einzelner Szenen. Melanie Gilligan ist bei Esther Donatz zu sehen, die erst vor einem halben Jahr ihren Projektraum gegen eine Galerie eintauschte. Blaue, unregelmäßige Punkte und Schlieren auf weißem Hintergrund lässt Anne Rößner in der Galerie Christine Mayer an der Wand flackern. Der abstrakte Film entstand in einem analogen Prozess: die Künstlerin bemalte einen fehlentwickelten Super-8-Film. Die Tonspur bildet Geräusche unter Wasser ab. In der Ausstellung umgibt Anne Rößner den Film mit Bildern, die sich als Splitter einer Geschichte lesen lassen oder auch als Erzählungen über ein wiederkehrendes Element: der Mond taucht hier in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen auf, häutet sich zu einer abstrakten Form und verwandelt sich zurück in den bekannten Himmelskörper: „The moon is mine“ heißt der Titel der Schau: Klar, warum auch nach den Sternen greifen, wenn der Mond schon mal so tief hängt? Links Open Art – Informationen zu Ausstellungen, Begleitprogramm, Führungen und Taxi-Shuttle www.openart.biz Barbara Gross Galerie www.barbaragross.de Bayerische Akademie der schönen Künste www.badsk.de Galerie Esther Donatz galeriedonatz.de Galerie Christine Mayer www.galeriechristinemayer.de
Mehr Texte von Astrid Mayerle

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