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Come Invest in us. You`ll strike gold: Identität und Intention

„Come Invest in Us. You’ll Strike Gold“ markiert die Geschichte von Algerien 1999. Das Zitat des damals erstmals gewählten Präsidenten wurde von Djamel Kokene 2010 zum Kunstwerk in polierten Messinglettern transformiert. Der golden scheinende Glanz ist Anspielung auf die Künstlichkeit der Losung, zugleich adäquater Titel der aktuellen Ausstellung in der BROTKunsthalle von Ernst Hilger. Gezeigt wird ein Teil der Nadour Collection, die auf zeitgenössische Kunst der arabischen Welt und des Iran konzentriert ist. 19 KünstlerInnen aus MENA, das heißt Middle East and North Africa, hinterfragen in ihren Exponaten die Geschichte ihrer Heimat. Die meisten von ihnen haben ihren ursprünglichen Lebensraum verlassen und leben in Europa oder Amerika. Es ist ein kritischer Blick aus der Distanz durch die Erfahrung einer anderen Kultur, dennoch verbunden mit den Wurzeln der eigenen Herkunft und Vergangenheit. Im Fokus stehen nationale wie internationale Investitionen sowie die hintergründigen Interessen und effektiven Auswirkungen auf das Land und die Bevölkerung. Die einzelnen ausgestellten Resultate dieser Herangehensweise fallen sehr unterschiedlich aus, in einer Vielfalt der Medien sowie der Methoden, die Idee oder Kritik künstlerisch zu vermitteln oder auch nur zu reflektieren. Denn nicht immer spricht das Werk allein durch seine Anschaulichkeit, bisweilen bedarf es einer Erläuterung, um es aus einer an sich belanglosen Präsenz oder Schönheit zu heben. Auch wenn jedem Kunstwerk zweifellos seine gewisse Rätselhaftigkeit belassen sein soll, erscheint dies problematisch, vor allem unter der offensichtlich sehr gesellschaftskritischen kuratorischen Intention. Sehr konstruiert etwa wirkt die Ästhetik der Objekte von Babak Golkar, „Le Corbusier Derivates“, die auf Grundrissplänen Le Corbusiers für ein Olympia-Stadion in Bagdad basieren und auf die pervertierte Realisierung und Nutzung unter Saddam Hussein verweisen sollen. Die liegende Sanduhr „Suspended Time“ von Taysir Batniji gibt zwar ein wunderbares Bild ab, lässt sich aber inhaltlich in viele beliebige Kontexte verschieben. Fein und inspiriert ziehen die sensiblen Zeichnungsserien „Expansion Chart“ Hajra Waheeds unmittelbar an, aber dass es um die Zerstörung von originären Kultstätten und damit Identitäten geht, ist wenig deutlich ersichtlich – dafür in der daneben präsentierten Fotoserie „The Empty Land“ von Ahmed Mater mit verödeten, ausgebeuteten Landstrichen unübersehbar; dokumentarische Festhaltung, die zwar gekonnt ins Visier genommen ist, sonst weiter nicht fesselt. Dies gelingt Baktash Sarang mit einer großformatigen Bleistiftzeichnung, „Le Puisatier“. Eine mystische konspirative Zusammenkunft diverser Mächte ist mit einfachen, subtil eingesetzten Mitteln dargestellt. Unterschwellig und unangenehm berührend kündigen sich in dieser eigenartigen Performance langfristige und gewichtige Konsequenzen an, die in Sarangs Dramaturgie auf einen Moment verknappt sind. Theatralisch ins Licht gesetzt ist auch der Kubus aus Zuckerwürfeln, der in Kader Attias Video „Oil & Sugar #2“ mit Öl beträufelt wird, bis er in sich zusammenstürzt. Die Anspielungen auf den white cube ist genauso evident wie auf vormals robuste und Energie tragende Werte, die massive weiße Stärke kollabiert und zerrinnt funkelnd, aber doch zu grauem Brei. Daneben hängt eine Rettungsdecke in blankem Gold, Faycal Baghriches „Feikó“ hatte am Boden liegend noch suggestivere Kraft. Vielleicht hätten Majida Khattaris Kleidungsstücke, die einer Performance gedient hatten, am Boden abgelegt auch den Diskurs um Frau, Verschleierung, Weiblichkeit, Mode und Emanzipation besser angefacht als in einem Käfig hängend. Brillant ironisch und konsequent zeigt Oraib Toukan in „The Equity in the Circle“ den Ausverkauf der Güter der Länder an: auch als realisierte und gescheiterte Utopien kommen diese unter einen visionären Hammer, in zweideutigem Sinn. Neben blendenden Fotoarbeiten, die werbetechnisch die Ausbeutung des Landes wie der gescheiterten Investoren persiflieren, setzen simple Ausdrucke von Prognosen bzw. Rentabilitätsstatistiken den ernüchternden Kontrast. Bei aller Aktualität der Kunst wie der vorgetragenen Thematik der Ausstellung bleibt allerdings eine massive Diskrepanz durchgehend spürbar, die symptomatisch in „Fresh Sinezani“ von Shahram Entekhabi zum Ausdruck kommt. Er legt in dem Video die westliche Kleidung ab und beginnt sich nach schiitischem Ritual zu bewegen, was für uns zunächst nur befremdlich sein kann. Er bekennt sich zu seiner Herkunft, wie zur globalen Kunstentwicklung und bedient sich ihrer modernen oder modernistischen Stilmittel. Er selbst schlüpft aus einer Hülle in die Rolle eines grundsätzlich Anderen. Wo ist seine Integrität und die der anderen repräsentierten KünstlerInnen? Die Ausstellung zeigt eine Reihe spezifischer Perspektiven auf, die beides in sich vereinen oder zu vereinen suchen.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Come Invest in us. You`ll strike gold
11.09 - 01.11.2012

HilgerBROTKunsthalle
1100 Wien, Absberggasse 27
Tel: +43 1 512 5315 220, Fax: +43 1 603 0639
Email: brot@brotkunsthalle.com
http://www.brotkunsthalle.com
Öffnungszeiten: Di-Sa: 12-18h


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