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El Greco und die Moderne: Späte Wiedergutmachung

2004 in London, 2010 in Brüssel, erst jetzt 2012 tatsächlich in diesem Umfang von 33 Gemälden El Grecos und 11 Werkstattarbeiten überhaupt erstmals in Deutschland – in Düsseldorfs Museum Kunst Palast: Jahres-Kunsthöhepunkt im Rheinland! Und gerade hier, in Deutschland, wurde er spätestens mit der Sonderbund-Ausstellung 1912 von einem genuin deutschen Moderne-Phänomen, dem Expressionismus, mit Kniefall entdeckt: Ausdruckskunst-Vater stieß auf Ausdruckskunst-Vatermörder. 1910 legte der Kunsthistoriker Julius Meyer-Graefe mit „Die spanische Reise“ die ersten El Greco-Brände. Doch ausgerechnet in Düsseldorf ignorierte man 1912 zehn zum Verkauf stehende Gemälde aus einer Privatsammlung. Vor Ort folgt jetzt in thematischer und finanzieller Hinsicht 100 Jahre später und fast 400 Jahre nach dem Tod El Grecos 1614 in Toledo (1541 auf Kreta als Domenikos Thoetókopoulos geboren), die Wiedergutmachung: 1,7 Millionen aus dem Stadtsäckel Düsseldorfs, 300.000,- Euro von der Kulturstiftung NRW – insgesamt wohl ein Ausstellungs-Schwergewicht von gut 3 Millionen Euro. Was um 1912 in Deutschland ein Thema war, wurde bis dato noch nie als Ausstellung aufgegriffen – allerdings hat das sicher weniger mit Schlamperei, Ignoranz und mangelnder Museums-Intelligenz zu tun. Ebenso wie die Expressionisten (und die klassische Moderne Westeuropas überhaupt) etwa Bosch, Grünewald, Caravaggio, Rembrandt oder die afrikanische Skulptur „entdeckten“ geschah dies auch, nicht nur via Kopien eines Max Oppenheimer oder durch Schieles körperlich-seelische Skelettierungen, offensichtlich ebenso mit El Greco. Dies also ist wohl weniger eine Sensation. Allerdings beschert dies dem Besucher insgesamt 150 Werke und 35 weitere Künstler wie Max Beckmann, Oskar Kokoschka, Wilhelm Lehmbruck oder Edwin Scharff, der 1907 in Paris Cezanne besuchte. Zuvor war er bei Grünewald in Lothringen. Und dann in Madrids Prado, auf dem Weg zu Velasquez, wurde er durch El Greco’s farblich lodernde Gewänder auf aschfahl gelängten, verdrehten Heiligen-Figurinen vom manierierten Esoterikhammer getroffen. Ein Volltreffer für die Ecce Homo–Schauer-Neigungen des expressionistischen Weltkriegs-Jahrzehnts! Wobei sicherlich übersehen wurde, dass „der Grieche“ sich in Toledo, bis heute die katholischste Stadt Spaniens, als eine Art malender Propagandist der Inquisition profilierte. Fraglos ein Erlebnis für uns heute: „Das fünfte Siegel“ (aus New York) oder den „Laokoon“ (Washington) El Grecos im Original sehen zu können - nicht nur Abstraktionen und kompositorische Virtuosität 300 Jahre vor ihrer Zeit. Kaum thematische Volltreffer liefern allerdings Bilder etwa des kubistischen Picasso oder August Mackes und etlicher Rheinischer Expressionisten – eben das Übliche: vergleich dich konzeptgemäß oder ich fresse dich! Und mancher El Greco – Korrespondent entlang der Wände ist schlicht überflüssig.
Mehr Texte von Roland Groß

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El Greco und die Moderne
28.04 - 12.08.2012

Museum Kunstpalast
40479 Düsseldorf, Ehrenhof 4-5
Tel: +49 211 566 42 100
Email: info@kunstpalast.de
https://www.kunstpalast.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-21


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