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Guillaume Bijl: Oscar, Erotik, Prada überflügelt

Ein typischer Minimalist ist er auf keinen Fall, obwohl er reduzierend und ordnend mit der Formenvielfalt heutigen Kulturlebens und seiner Fetische brillant umgehen kann. Ob er ein guter Handwerker sei bleibt dahingestellt, weil er, wie er jedes Mal zu wiederholen pflegt, ausschließlich mit Readymades arbeitet und daran hat sich bis heute nichts geändert. In seiner aktuellen Ausstellung in der Galerie Hubert Winter, in der Guillaume Bijl - ein belgischer Klassiker der Dislokationskunst – bereits 1991 sein verwirrend fiktives Komponisten-„Sterbezimmer“ installierte, verzichtet er sogar darauf, sich einen Realisten zu nennen. Stattdessen entschuldigt er sich scheinbar mit seinen „Sorry-Installationen“, dass er die Realität in ihrem Hang zur Inszenierung der Öffentlichkeit nicht nur nachbildend vortäuscht, sondern vielmehr ab absurdum führt. „Sorrys“ klingen surreal und wirken wie eine Art von Konglomeraten oder Akkumulationen „montierter innerpsychischer Objekte“ - der polyvalenten objet trouvé - von denen einige starken Fetischcharakter verraten. Überdeterminiert mit symbolischer Bedeutung und schwierig in ihrer Desintegration zu kontrollieren, können sie einen durch ihre Wucht sogar in Angst versetzen. Sowohl „Sorrys“ als auch Bijls „Composition Trouvées“ überkreuzen verschiedene Affekte, Symbole, Bindungen, Objektverfremdungen und Rituale, in denen sich Verlangen nach Freiheit, Liebe, Sicherheit und Schönheit labil durch ihre Fragmentierung und ironievolle Verdrehung widerspiegeln. Aus Prada wird plötzlich ein befremdliches Paard („Pferd“ in Flämisch), den goldenen Oscar aus Hollywood krönt die Lichtanzeige eines billigen Call Centers und das bezaubernde Berglandschaftspanorama arrangiert sich sehnsüchtig mit dem domestizierten kuschelig-weißen Büffelkopf und einer bedrohlichen Kehrichtschaufel. Überraschende Paarungen und Querverbindungen in der Topographie der Fetische liefern auch andere bizarre Kompositionen, wie beispielsweise eine gefundene Ansammlung von christlichen Kreuzen vor einem päpstlich roten Stoff in einem goldenen Bilderrahmen überstrahlt von einer afrikanischen Maske. Dem kleinen Koffer am Boden, das dritte Objekt des Arrangements, scheinen die alten Geister noch nicht ganz entwichen zu sein. Mehr als Andere entwickelte Guillaume Bijl im Laufe der Jahre die kritisch-ironische Empathie für die „Kunststücke“ der konsumorientierten Kulturindustrie und des Kulturtourismus. Er schuf zahlreiche so genannte Transformationsinstallationen, die diverse Segmente des musealisierten Umgangs mit der Kultur und ihrem Erbe hinterfragten. Eine kleine Probe davon stellt er auch in der Galerie Winter aus. Ein Mikrosaal eines Museums gleich einer Wunderkammer, die, was sonst in Wien, der Geschichte der Erotik von der Prähistorie bis heute gewidmet ist.
Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Guillaume Bijl
24.03 - 05.05.2012

Galerie Hubert Winter
1070 Wien, Breite Gasse 17
Tel: +43 1 524 09 76, Fax: +43 1 524 09 76 9
Email: office@galeriewinter.at
http://www.galeriewinter.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 11-18h
Sa 11-14h


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