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Art|43|Basel: Riesenhetz statt Krisenstimmung

Das diesjährige Timing der Art Basel ist nahezu perfekt. Am Rande einer riesigen Baugrube, welcher bereits ein Viertel des Messegeländes zum Opfer gefallen ist, stehen sich der traditionsreiche Schweizer Circus Knie und der Zirkus der Art Basel gegenüber. Beides Unterhaltungsunternehmen in denen eine Gruppe von „Artisten“ ihr Können zeigt. Doch während beim klassischen Wanderzirkus die Trennung zwischen Publikum und Arena eine eindeutige Grenze markiert, scheinen beim Wanderzirkus der Kunstmessen die Grenzen zwischen Zauberei, Clownerie, Dressur und Akrobatik mittlerweile aufgehoben. So auch heuer in Basel wo über 300 Galerien aus 36 Ländern vertreten sind, hierbei ganze 8 Galerien aus Österreich. Da diese durchaus einen repräsentativen Querschnitt durch die ganze Art bieten, wollen wir diese 8 genauer anschauen. Georg Kargl trumpft mit einer gelungenen Abfolge weißer Werke, unterbrochen von einigen Akzenten. Den Beginn macht die 30.000.- € starke Schrankversion des Werkes „Das Meer bei Ebbe geträumt, Schrankversion“ (2009) von Harald Klingelhöller, gefolgt vom güldenen Kreis „The Good Guy and the Bad Guy“ (2011) des Nedko Solakov für 45.000.- €. Erwin Thorns titellose weiße Regaleinheit von 1959 (22.000.- €) bildet den Übergang zum eigentlichen Höhepunkt: „The River“ (1964) von Agnes Martin für 3.200.000.- €. Nun folgen das „Bone coral (phantom museum)“ des Mark Dion von 2011 für 22.000.- €, ein weiteres Werk von Erwin Thorn aus dem Jahr 1965 und mit Herbert Hintereggers „Untitled“ (2011) ein farbiger Abschluss für 15.000.- €. Hier angelangt, erfreut man sich am narrativen Bildgeschehen Nedko Solakovs. Auch Martin Janda versteht gekonnt Narratives mit Stillem zu kombinieren. Die „Harpune mit Gymnastikball“ (2012) des Roman Signer hat bereits ihren Käufer gefunden; der „Lebkuchentisch“ von 2003 hingegen ist inklusive Bissabdruck des Künstlers noch für 37.000.- € zu haben. Vom 2007 verstorbenen slowakischen Künstler Július Koller gibt es „Realita“ aus dem Jahre 1968 für 28.000.- €. Trotz der Stille ihrer Komposition irgendwie beunruhigend muten die titellosen Fotografien der israelischen Künsterin Sharon Ya’ari für je 4.400.- € an. Zum Gang hin gibt es des weiteren einige Collagen des in Berlin lebenden dänischen Künstlers Jakob Kolding (2.800.- bis 4.400.- €) zu entdecken und ein wenig versteckt harren die feinen gemalten Rauschmittel der Wienerin Svenja Deininger (2.000.- bis 3.600.- €) ihrer Enthüllung. Bei Thaddaeus Ropac hingegen geht es eher opulent barock zu. So wirkt Jack Piersons für 175.000.- $ bereits verkaufter „Poor Bastard“ (2012) angesichts der ihn umgebenden dekorativen unbetitelten Bronzemuschel (2012) von Marc Quinn (180.000.-), der 440 kg schweren und 375.000.- € teuren Plastik „Accurate Figure“ (2012) von Tony Cragg und Robertos Longos schönem Rosenfoto „Ophelia“ von 2012 (330.000.- $) wie ein ironischer Kommentar. Der Stand von Ursula und Thomas Krinzinger birgt in einem Nebenraum eine überaus gelungene und ungewöhnliche Zusammenstellung. Aktzeichnungen von Gustav Klimt (90.000.- €) und Egon Schiele (160.000.- €) finden einen kongenialen Gegenpart in einem Foto der 3. Aktion Rudolf Schwarzkoglers von 1965 (30.000.- €). Diesen dreien gegenüberstellt Daniel Spoerris trotz einem Nierentisch der 1950er Jahre mittlerweile ermüdend wirkendes „Faux-Tableau-Piège“ von 2010-2011 für 51.000.- € und Mark Wallingers erfrischende „Small World“, eine Weltkugel mit dem Ø 6 cm und im Massstab 1:212.500.000 für 12.500.- €. Rosemarie Schwarzwälder stellt mit Joëlle Tuerlinckx und Günter Umberg ebenfalls eine Erzählerin einem Sehsüchtigen gegenüber und diese Konfrontation gelingt durch die räumliche Tiefe der Bühnenbilder in den drei Werken „Human Theater“ (2012) für je 15.000.- € einerseits und der Tiefe der Farbräume der 7 unbetitelten Gemälde Umbergs aus den Jahren 2000-2012 zwischen 16'500.- € und 26.000.- € andererseits. Wie leicht der Belgierin das Erzählen fällt, zeigt sich in den „Collages d’Archives Atélier“ (2012). Die als „Art Feature“ bezeichneten von 20 Galerien kuratierten Projekte finden sich an den Rändern der Messehalle. Dass es auf der Art Basel immer mal wieder auch kunsthistorische Besonderheiten zu Entdecken gibt, zeigt die Pariser Galerie Vallois. Diese präsentieren umfangreiches Dokumentationsmaterial inklusive aller Zeichnungen des legendären Films „Pénélope“, den Jacques Villeglé und Raymond Hains Anfang der 1950er Jahre gemeinsam produziert haben. All dies für 680.000.- € Bei „Art Feature“ findet sich auch eine überaus gelungene Gegenüberstellung von Birgit Jürgenssen und Francesca Woodman bei Hubert Winter und ein zweiter ebenfalls feiner Stand mit Werken des Ehepaars Běla Kolářová und Jiří Kolář bei Helga und Peter Krobath. Letztere stellen neben Kolářs typographisch gestaltete Objekten, wie das „Boat“ (40.000.- €) und seinen Collagen (à 6.000.- €) aus den späten 1980er Jahren einige ornamentale Assemblagen Kolářovás und die 1962 bis 1964 entstandenen Radiogramme, die je 8.000.- € kosten. Dass Hubert Winter, nach längerer Absenz für Basel eine Bereicherung ist und mit der Auswahl der beiden Künstlerinnen einen exzellenten Riecher hatte, zeigt sich an den Verkaufszahlen und der starken Nachfrage. So wurden von Woodman preislich zwischen 4.500 und 8.000 $ liegend nahezu alle Fotos verkauft und von Birgit Jürgenssen neben den Polaroids à 8.000.- € auch das herrliche Foto des Blättermanns (1979) für 24.000.- €. Das Grazer Artelier Contemporary, seit nunmehr nahezu 20 Jahren in Basel vertreten, präsentiert eine munter dekorative Mischung neuester Editionen, der von ihnen vertretenen Künstler unter anderem das aus 8 Serigrafien bestehende großformatige Werk „Agalma’s Symposium“ (1993) von Joseph Kosuth in einer Edition von 12 für 30.000.- €, die aus zwei RGB LED Displays bestehende Arbeit „Dollar / Rubel“ (2012) von Michael Schuster für 27.800.- €, Uta Webers bekannte „Smarties“ (2007) in 8 Farben für zusammen 7.000..- € oder à 950.- € pro Farbe und mit „WFA“ (2012) eine von Tobias Rehberger in einer 20er Auflage überarbeitete Flasche edlen Barolos für 3.000.- €. Rehbergers Idee das Werk zu zerstören, um den Inhalt geniessen zu können, wurde allerdings 1964 in dem in Gips gegossenen Gedichtband Pense Bête von Marcel Broodthaers längst vorweggenommen. Im letzten Jahr waren diese Rückbezüge auf bereits Geschehenes weitaus stärker spürbar. In diesem Jahr sind drei Tendenzen zu bemerken; alle drei drücken den Umgang mit der Krise aus. Die Bevorzugung klassischer Wertanlagen steht einem reichhaltigen Angebot an hübscher überteuerter Dekoware gegenüber; es findet sich aber auch der Trend mit stillen ruhigen, beinah schon besinnlichen Werken dem Konsum entgegenzuwirken. Beispiele für letztere wären bei Annemarie Verna mit den stillen Holzgemälden des Amerikaners Joseph Egan zu finden, die zwischen 2.600.- € und 8.400.- € liegen. Die farbigen Kostbarkeiten mit Titeln wie „Bonnard’s Advice“ (2012), „Hortensia“ (2012), „burning“ oder „knowing now“ (alle 2012) fordern ein entschleunigtes Sehen ein und geben der Farbe den ihr gebührenden Raum zurück. Nirgendwo wird eine Krise treffender dargestellt als in der aus 2 synchronisierten Videofilmen bestehenden Arbeit „Die Forelle“ (2012) der Schweizer Künstlerin Luzia Hürzeler, die es bei Gisèle Linder zu sehen und für 5.400.- € als Edition zu kaufen gibt. Während auf dem linken Monitor der Wasserstand stetig steigt und bei Höchststand die Künstlerin unter Wasser in arge Atemnot bringt, sinkt das Wasser im Bassin der Forelle kontinuierlich und bringt auch diese in eine ähnliche Lage. Wer kann es schon ohne Luft, ohne Wasser, ohne Kunst lange aushalten? Was für ein wunderbares Bild für all die herumflanierenden Kunstsüchtigen. So scheint es kaum zu wundern, dass angesichts dessen die wichtigste Neuerung der Art Basel die für VIPs und „SuperAdabeis“ reservierten beiden Preview-Tage am Dienstag und Mittwoch sind, welche der eigentlichen Vernissage am Mittwoch vorangehen. So bleiben den normalsterblichen Kunstliebhabern nur mehr die Tage von Donnerstag bis Sonntag zum Degustieren. Die Maßnahme der erweiterten Preview-Tage, welche Verkäufern und Käufern mehr Zeit zum Gespräch einräumen soll, stößt nicht überall auf Gegenliebe. So hört man, dass die schnell entschlossenen Käufe eher nachgelassen haben, da die Sammler nun mehr Zeit zum Vergleichen des Angebots haben. So oder so, die Messe ist auch heuer wieder eine Riesenhetz mit – Krise hin oder her – beeindruckenden Umsätzen.
Mehr Texte von Harald Krämer

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Art|43|Basel
13 - 17.06.2012

Art Basel
4005 Basel, Messe Basel, Messeplatz Halle 1 und 2
http://www.artbasel.com


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Ins Knie
Karl May | 15.06.2012 08:24 | antworten
Die beiden Zirkusse finden jedes Jahr gleichzeitig statt.

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