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women 2011: Maria Temnitschka, Karin Sulimma, Andreea Limban, Judith Grosser, Karin Berghofer: Sachlicher Sexismus

Kaum je wird erwähnt, wie selten Väter oder Senioren in der Kunstgeschichte vorkommen: eindeutige Minderheiten. Frauen als Thema sind dem gegenüber weit exploriert. Wieso müssen in der Area 53 einige sehr schöne und andere weniger schöne Arbeiten von fünf weiblichen Kunstschaffenden unbedingt unter dem Titel „Women 2011“ repräsentiert werden? Der genderdramatischen Falle verpflichtet, darf man eine attraktiv grün-blau-türkis-verschossen-färbige Flügeltür von Karin Sulimma für fraulich halten oder auch nicht. Die Tür ist kein Tor, sondern ein Holzblatt oder Raumschirm, und als schlicht schönes Objet trouvé steht sie zwischen Keilen und redet von Frauen nicht mehr als von Vätern oder Senioren. Sulimmas Zeichnungen von Türen, auch Flügeltüren, die den Blick auf kalligraphisch elaborierte Buchcover freigeben, offenbaren kein spezifisch weibliches Literaturverständnis. Auch Judith Grossers Ölbilder erklären nicht, warum es bedeutend ist, dass eine Frauenhand den Pinsel hielt, außer, dass sie ihn gut gehalten und Licht auf Haut in fein flimmerhaarfließenden Flecken gemalt hat. Ein verzücktes Paar, Zwillinge und ein Akt sind zu sehen. Gut, bei dem Akt handelt es sich um eine Frau, deren Geschlecht offen und sorgfältig ausgemalt, und deren Hand und Schultern im Infinito der gerasterten Untermalung verbleiben – möglicherweise hätte ein männlicher Maler dieses Infinito nicht stehen lassen können, möglicherweise aber doch. Karin Berghofers Acrylbilder präsentieren etwas wie Wunden oder Schimmelpilze oder Weiße Flächen, deren Flächigkeit von Farbschrunden unterbrochen wird, und es ist ihnen sonst nichts weiterführend Geschlechtsspezifisches anzusehen. Die Position von Andrea Limban bedient sich einer Kombination aus Bild und Schrift, die trotzig erscheint. Von Frauen ist nicht mehr die Rede als von Vätern oder Senioren. Auf den Zeichnungen von Maria Temnitschka kommen nackte Frauen, Keller und käferartige Hundsdrachen vor, denen die Frau manchmal mutig ans Horn greift wie Europa dem Stier. Wären die nackten Frauen männlich, könnte man an Kafka denken, die Carceri von Piranesi oder die Collagen von Max Ernst fallen einem auch so ein. Käferdrachen auf der Wand oder als Objekt auf Sockel in mittlerer Handtaschengröße erscheinen als eigentümlich putzig-bedrohliche Assemblagen von sexuell indefiniter Prägnanz. Sollen wir hoffen, der Kurator der Ausstellung, Manfred Hoschek, plane eine weiterführende Ausstellung mit „Men 2012“ und würde dabei Kunstschaffende wie beispielsweise Erwin Wurm, Markus Prachensky, Christian Eisenberger, Bernhart Hosa und Hermann Nitsch zusammen kuratieren? Das würde vielleicht genderdramatisch noch informativer und im Hinblick auf die menstruative Fülle des letztgenannten eine Herausforderung… yesss.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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women 2011: Maria Temnitschka, Karin Sulimma, Andreea Limban, Judith Grosser, Karin Berghofer
17.12.2011 - 20.01.2012

Galerie Area 53
1060 Wien, Gumpendorfer Straße 53
Email: thearea53@gmail.com
http://www.area53.name
Öffnungszeiten: geschlossen


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