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Barbara Anna Husar: Alte Meister – Dinosaurier und Meteorite: Koordinatenticket zum Dataexchange mit Guggosaurus Bilbao Titan

Das Naturhistorische Museum scheint sich zu bemühen, zeitgenössische Kunst in die Präsentation seiner Sammlung zu integrieren bzw. damit als innovativ und die Kunstproduktion fördernd zu punkten. Scheint, denn Barbara Anna Husar konnte ihre Ausstellung ALTE MEISTER – Dinosaurier und Meteoriten erst nach beträchtlichen ideellen Rückschlägen und rigorosem Zurückstutzen ihrer anfänglichen Ideen realisieren, trotz Verzicht der aus Vorarlberg stammenden 34jährigen Künstlerin auf museumseitige finanzielle Unterstützung. Nun, man hat ihr den großen Saal 50 im oberen Geschoß für beachtliche vier Monate zur Verfügung gestellt, immerhin. Und ihre Schau ist der Auftakt zu einer ganzen bevorstehenden Serie, die mit Daniel Spoerri fortgesetzt wird - und seine ausgestellten Arbeiten werden dann vielleicht (oder hoffentlich) sogar versichert. Die Protagonisten von Barbara Anna Husars Alten Meistern sind Meteoriten, Dinosaurier und Cross Creatures. Letztere sind gemalte Mischwesen, die verschiedene Zeiten, Genres und Größendimensionen zu gleißenden paradoxen Gestalten fusionieren, wie etwa der Tyrannosaurus Rexy Rexa, der mit seinem Euter zu einem süßen Säugetier transformiert ist, oder das verlebendigte Guggenheim Museum in Bilbao, das als Guggosaurus Bilbao Titan seine Malfläche verlassen zu wollen scheint. Acht solcher mehr oder weniger verfremdeter Dinosaurier auf bis zu etwa 25 qm großen Gemälden bilden einen Zirkel um das Herzstück der Ausstellung, einem Trickfilm, der Barbara Anna Husars gesamtes universales Konzept und symbolische Motivik konzentriert und humorvoll verquickt vorstellt: Vieldeutige, polymorphe Transgression in bildlicher Metapher. Es geht um Datentransfer, dessen kognitive Aufnahme und Relevanz; Daten, die über Meteoriten aus anderen zeitlichen wie räumlichen Sphären in unsere transportiert wurden und werden, Daten, welche die kosmische wie die irdische Evolution bestimmen, heute im technisierten Geschehen fortwirken und zukünftige Formen hervorbringen werden. Versinnbildlichte Datenträger sind die phantastischen Cross Creatures, die polydimensionale Differenzen synthetisieren und bezeichnender Weise auf diverse Saatgutsäcke gemalt sind. Diese hat Husar wiederum in traditioneller Manier der nomadischen Beduinen zusammengenäht, was unregelmäßige Abschlüsse bedingt, welche die definitiven Grenzen eines rechteckigen Bildträgers aufbrechen bzw. negieren. Die einfache Montage der bemalten Planen direkt an die Wände unterstreicht das episodische Moment. Den intendierten kultischen Meteoritenkreis inmitten des Saales musste Barbara Anna Husar aus Sicherheits- (d.h. Kosten-) -gründen zu einem kleinen Rund aus Wüstenfindlingen schrumpfen, ein eher mickriger Verweis auf die berühmten Stücke der hausinternen weltgrößten Meteoritensammlung. Recht munter dreht sich dafür das motorisierte Knochenrad mit den montierten Dinosaurierwirbeln, unablässig seine Reverenzen an den Kreislauf der Natur, an bekannte Größen der Kunstgeschichte und spielerisch an das Wiener Riesenrad erweisend. Wirbelsäule und Nabelschnur sind Fokuspunkte in Husars universellem Kosmos, Medien der Natur und deren unerreichbare Höhe in Perfektion und Intelligenz, Transporteure von Daten wie die Meteoriten. Friteusen sollen als Meteoritenfallen solche Daten empfangen und mittels ihrer verstrebten Struktur Synapsen ähnlich fungieren. Die vermeintlich lustige Verspieltheit erschließt sich erst allmählich als humoristisch lustvolle Doppelbödigkeit. Es ist derselbe INTEGRAL STRUDEL, den Barbara Anna Husar im Naturhistorischen Museum in Zeit- und Raumachse dehnt und bei Judith Ortner als URFORM ungezähmt mit dem intimen Charakter des Backstage in verdichteter Vernetzung ausstellt. Mit Hilfe ihres reichen Repertoires an persönlichen Text- und Bildstempeln transferiert und verknüpft Husar formale und verbale, sinnliche und inhaltliche Momente und greift in die Struktur malerisch und grafisch ein. Durchdringen sich Archaik und Modernität in den großformatigen Cross Creatures mit pathetischem Öffentlichkeitsanspruch, so konzentriert sich Selbiges zur Essenz auf aufgefalteten und bestempelten Zigarettenpackungen: Es sind Koordinatentickets, die im Zusammenleben der Künstlerin mit dem Beduinenstamm der Tarrabeen am Sinai ihren Ursprung haben. Dokumentarisches und Phantastisches verzahnen sich in Performance, Installationen, Video-, Fotografie- und Grafikarbeiten und generieren ein unbegrenztes Möglichkeitsfeld. Ein komplexes Beziehungsgeflecht aus verschiedenen persönlichen Denk- und unmittelbar erlebten Erfahrungsebenen erscheint in oszillierender Vielgestalt des Dataexchange, in dem Barbara Anna Husar zwischen den Medien switcht: „Die Weltraumvorhaut zwischen den Teilchen, nicht geöffnet, nicht geschlossen, zwischen Horizont und Horizont.“ - „Ich bin Teil, Zwischenteil und Teilchenbeschleuniger.

Ausstellung bei Ortner2 URFORM ungezähmt ORTNER 2, Sonnenfelsgasse 8, 1010 Wien 03.02.2012 – 20.03.2012

Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Barbara Anna Husar: Alte Meister – Dinosaurier und Meteorite
02.12.2011 - 09.04.2012

Naturhistorisches Museum
1010 Wien, Burgring 7 (Besuchereingang: Maria-Theresien-Platz)
Tel: + 43 1 52177 - 0*, Fax: + 43 1 523 52 54
Email: info@nhm-wien.ac.at
http://www.nhm-wien.ac.at/
Öffnungszeiten: Donnerstag bis Montag 9:00 - 18:30 Uhr, Mittwoch 9:00 - 21:00 Uhr


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