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Markus Schinwald

Lentos Kunstmuseum Linz 28.10.2011 - 12.02.2012 Ein altes Fahrrad, eine Wanduhr, eine Ansammlung von Schuhen und Kleidungsstücken, Ölbilder, nebeneinander an der Wand hängend, Möbelstücke, Filme und ein roter Vorhang: Beim ersten Hinsehen wirken solche Objekte vertraut. Aber keines dieser Dinge funktioniert wie man es erwartet oder gewohnt ist: Das Fahrrad kann, da es an einer Stange montiert ist, nur im vorgegebenen Kreis fahren. Der Vorhang wiederum verdeckt nichts, sondern ist ein gerafftes Bild. Die Uhr zeigt nur 11 Stunden an. Die drapierten Tischbeine sind scheinbar nutzlos aneinander montiert. Die Schuhe sind allesamt nicht tragbar oder zumindest nur mit sehr schmerzhaften Folgen für den/die TrägerIn. Genauso verhält es sich mit den ausgestellten Kleidungsstücken. Das “Jubelhemd” zum Beispiel macht eine gewohnte Körperhaltung nur unter sehr unangenehmen Umständen möglich, da die Arme verkehrt herum angenäht wurden. Nichts ist tatsächlich so, wie es auf den ersten Blick scheint. Ein Unwohlsein beginnt sich langsam auszubreiten je näher man an die Objekte herangeht, und je weiter man in den Ausstellungsraum vordringt. In all dem weißen Glanz der Ausstellungsarchitektur, der vorherrschenden Ordnung und Struktur, beginnen einem die Objekte wie Schmutzflecke entgegen zu starren. Ihre unheimliche Kraft erwächst dabei aus ihrer scheinbaren Einfachheit. Denn Markus Schinwald, der diesen surrealen Parcours im Linzer Kunstmuseum Lentos inszeniert hat, “erschafft” nicht im herkömmlichen Sinn “neu”. Statt dessen eignet er sich Bestehendes an und verfremdet es: Nimmt etwas weg, dreht ein Element um, oder fügt ein anderes hinzu. Seinen Filmen beispielsweise nimmt er den Anfang und das Ende, und läßt sie gebetsmühlengleich rotieren. Schinwald selbst nennt die Filme “Gedichte”. Ähnlich funktionieren auch die geschwungenen Tischbeine, die in kleinen Grüppchen oder Paarweise nebeneinander liegen. Ihrer ursprünglichen Bestimmung sind sie beraubt, sie stehen nicht mehr, sie tragen nichts mehr. Statt dessen reiben sie sich nun im scheinbaren Liebesspiel. Auch die ausgestellten Ölgemälden und Druckgrafiken sind dergestalt manipuliert: Schinwald kauft Porträts aus der Biedermeier-Epoche auf Flohmärkten oder in Auktionshäusern und lässt sie anschließend von einem Restaurator nach seinen Plänen ergänzen. Beim Bild “Francis” beispielsweise war ursprünglich ein nobler Herrn in stehender Pose dargestellt. Schinwald ließ das Porträt mit einer Wand übermalen wodurch nur mehr der Unterkörper sichtbar ist. Auf den “Schwarz-Weiß Porträts” wiederum, die Kupferstiche und Radierungen aus dem 19. Jahrhundert als Grundlage haben, drapierte Schinwald Tücher und Prothesen um die Gesichter der Dargestellten, so dass sie durch die Verhüllung ganz verschwanden, und eine neue geheimnisvolle Identität erhielten. Gerade anhand der Porträtauswahl wird gut sichtbar, wie sehr sich Markus Schinwald für das Aufbrechen von starren Haltungen interessiert. Aus der als Überblicksschau gedachten Ausstellung ist ein Universum aus Störungen, Fallen und scheinbaren Fehler entstanden, das sich trotz Unwohl sein, oder gerade deshalb, lohnt zu erkunden. Marion Reisinger
Für seine Ausstellung im Linzer Lentos hat Markus Schinwald ein aufwendiges architektonisches Szenarium entworfen: Ein verschachtelter Komplex aus strahlend weißen Wänden, Decken und Podesten ermöglicht eine inselartige Gesamtpräsentation seiner Werke und erinnert zugleich an die surreal wirkenden Kulissen seiner Filmarbeiten und Fotos. Anders als bei seiner aktuellen Präsentation im Österreich-Pavillon auf der Biennale in Venedig zeigt er in Linz einen Überblick seines Schaffens. Auffallend ist dabei besonders die Beschäftigung mit dem Körper und dessen Relation zum Raum. Speziell geht es ihm offensichtlich darum, Unsichtbares sichtbar zu machen und innere Zustände nach außen zu wenden. Durch die Verfremdung von Mensch und Gegenstand hinterfragt Schinwald in seinen Arbeiten den Begriff von Freiheit und Individualität und übt damit subtile Kritik an einer Gesellschaftsmaschinerie, bei der es um eine ständige Inszenierung und Nicht-Inszenierung geht; um Verformung, Manipulation, Selbstdarstellung, Zwang und Unterwerfung. Allerdings agiert Markus Schinwald in seiner Linzer Ausstellung sehr direkt: Der Ausstellungsarchitektur ist das Thema “die Welt als Bühne” deutlich abzulesen und bei den eingefügten Werken wird das Sprichwort „Kleider machen Leute“ exemplifiziert. Den Auftakt machen einige seiner früheren Arbeiten, bei denen er sich dieser Thematik nähert, indem er sich mit dem äußeren Erscheinungsbild des Körpers befasst und modische Aspekte aufgreift. Kleidung und Schuhe wurden so verändert, dass sie ihrem Träger in bestimmte Haltungen zwingen und somit deren seelische Zustände visualisieren: Der Körper unterliegt dem Willen seines Outfits, nicht umgekehrt. Diese Idee verfolgt Schinwald mit sämtlichen künstlerischen Medien und Formaten der Gegenwart: Er verwendet Skulptur und Rauminszenierung, Film, Fotografie, Malerei, Performance und Reproduktionstechniken, um ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Doch auf die Dauer wirkt seine Sprache trotz der medialen Vielfalt und der offenen Möglichkeiten zugleich eintönig. Die meist komplexen Themen werden tendenziell banalisiert und spätestens auf den zweiten Blick scheint offensichtlich, worum es dem Künstler geht. Bei seinen Ölgemälden beispielsweise, versieht er die abgebildeten Personen plakativ und überspitzt mit sogenannten „Prothesen“. Diese unnatürliche Kombination von Mensch und Objekt scheint ihn zu faszinieren, allgemein das Gedankenspiel, dass der Mensch zum Objekt wird und umgekehrt. Schinwald strapaziert diese Vorstellung bis ins Unendliche. Seine Arbeiten vermitteln Ausweglosigkeit, lösen Unbehagen und Irritation aus, aber sie liefern keine Antworten oder Lösungsansätze. Es gibt keinen Anfang und kein Ende, alle Filme laufen im Loop, eine Endlosschleife, ein Teufelskreis. Markus Schinwald serviert den Betrachtern eine bittere Ästhetik dessen Verdauung er ohne Hilfestellung denselben überlässt. Seine Beschäftigung mit dem Mensch-sein hat etwas Maschinelles, Sachliches, Hartes. Der Künstler bewahrt eine spürbare Distanz zu seinem Werk, wodurch es auch dem Betrachter schwer fällt, Sympathie und Nähe dazu aufzubauen. Er selbst scheint über allem zu stehen und Gefallen an der verursachten Störung bzw. Verstörung zu finden. Viel persönlichere und zugänglichere Ansätze zu denselben Themenstellungen finden sich beispielsweise im Werk von Birgit Jürgenssen, Maria Lassnig oder Franz West. Trotz zahlreicher Parallelen zu diesen künstlerischen Positionen bezüglich der Auseinandersetzung mit dem Körper und dem Spannungsfeld zwischen Individualität und sozialhistorischer Determinierung scheint sich Markus Schinwald letztendlich doch in seinen Ästhetisierungen des Scheiterns verirrt zu haben. Magdalena Glas
Lentos Kunstmuseum Linz 4020 Linz, Ernst-Koref-Promendade 1 Tel: +43 70 7070 36 00 email: info@lentos.at http://www.lentos.at Öffnungszeiten: täglich außer Die 10-18 Uhr, Do 10-22 Uhr

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