Werbung
,

Weegee - Retrospektive 1932 - 1960: Der vulgäre Modernist

Es ist Nacht in New York, ein Betrunkener schläft auf dem Bordstein, neben ihm, ein Bestattungsunternehmer. Es liegt Zigarrenrauch in der Luft der immer stärker wird, bis der Verursacher neben dem Betrunkenen angekommen ist: Es ist der praktisch immer und überall rauchende Arthur Fellig, genannt Weegee. Er nimmt seine Kamera, überlegt, und drückt ab. Eine Ikone der Fotografiegeschichte ist soeben entstanden. Er war ein Opportunist, sagen die einen. Andere meinen, er hätte seine Fotos gemacht, um die Realität der Menschen in den Armutsvierteln zu dokumentieren. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Lou Stettner, selbst Fotograf und Freund Weegees, sagte einmal, dass es keine besten Bilder von Weegee gibt. Es würden immer nur Facetten eliminiert, damit andere besser sichtbar werden. Und er hat Tausende Fotos gemacht. Ein kleiner Teil dieser Fotos findet sich in der Ausstellung im Westlicht wieder, thematisch geordnet. Zwei davon stechen gleich beim Eingang ins Auge: Links ein Mann in elegantem Anzug, daneben das Foto zweier Damen in Abendbekleidung. Die Gleiche Szenerie? Mitnichten, der Mann ist ein armer Vertreter für Textilien und geht gerade aus der Kirche, die Damen besuchen die Oper. Schon in seinen Büchern hatte Weegee mit solchen Ähnlichkeiten Zusammenhänge geschaffen. Es ist gut dass in dieser Ausstellung auch mit einer ähnlichen Sensibilität gearbeitet wird. Und auch eines seiner schönsten Fotos ist zu sehen: Coney Island von 1945. Der Strand von Coney Island ist darauf abgebildet, das ganze Bild ist voller Menschen, von denen die meisten in die Kamera schauen. Laut seinem Assistenten Louie Liotta, kletterte Weegee auf ein Podest, und tanzte und schrie so lange herum, bis genug Augen auf ihn gerichtet waren. Dann drückte er ab. 1945 fängt er an mit Speziallinsen, Spiegeln, texturiertem Glas und geschmolzenem Plexiglas verzerrte Aufnahmen zu produzieren. Oft wird diese Schaffensperiode ausgeblendet, doch glücklicherweise sind auch einige von diesen Arbeiten hier vertreten. Nur scheinbar ist hier ein anderer am Werk, denn hier ist er zwar nicht mehr derjenige, der eine verschobene Realität - einen Mord zum Beispiel - aufzeichnet, sondern er selbst verzerrt etwas, sei es nun Dali oder Marilyn Monroe. Weegee war Mitglied von Cinema 16, des legendären, von Amos Vogel organisierten Filmclubs. Als Vogel zu Ohren kam, das Weegee auch gefilmt hatte, bat er Weegee das Material zu einem Film kompilieren zu dürfen. Das Material ist nahezu unglaublich, es ist in Farbe, erinnert sowohl an seine späten Arbeiten wie an seine frühen. Leider wird der Film in der Ausstellung ohne Verdunkelung gezeigt, was das Erlebnis dieses raren Kunstwerks doch ziemlich schwächt. Aber es ist in der Ausstellung nun immerhin möglich, Ausschnitte von Weeegees Schaffen, von seinen Anfängen, bis zu seinem Spätwerk in einem Kontext zusammen zu sehen. Weegees spätere Filme werden nicht gezeigt, ein paar seiner bekannteren Arbeiten sind nicht vertreten. Doch das schmerzt nicht sehr. Die Zusammenstellung der Arbeiten, und der daraus entstandene Kontext, übertreffen die Ansprüche die an Weegees erste Ausstellung in Wien gesetzt werden konnten bei weitem.
Mehr Texte von Patrick Schabus

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Weegee - Retrospektive 1932 - 1960
22.11.2011 - 12.02.2012

Westlicht
1070 Wien, Westbahnstrasse 40
Tel: +43 1 522 66 36 - 0, Fax: +43 1 523 13 08
Email: info@westlicht.com
http://www.westlicht.com
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 14-19, Do 14-21, Sa, So, Fei 11-19 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: