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Kulturschaffende! Werdet Bankaufsichtsräte!

Im Zuge der Krisen der vergangenen Jahre wurde es zu einem Gemeinplatz den Einfluss des Finanzwesens auf politische und gesamtwirtschaftliche Vorgänge zu kritisieren. Darüber hinausgehend führte die Defensive des öffentlichen Sektors, nach dem vermeintlich-endgültigen Sieg der westlichen Marktwirtschaften, in vielen gesellschaftlichen Bereichen zu einer Verabsolutierung des unternehmerischen Paradigmas. Diese Entwicklung führte unter anderem dazu, auch die Management- und Organisationstrukturen öffentlicher Einrichtungen nach dem Vorbild des Profitsektors einzurichten. Personell unterstrichen wurde diese Entwicklung von jenen Expert_innen, die sich dazu berufen fühlten, ihre Erfahrungen in – sagen wir einmal Strumpffabrikation – auf alle anderen gesellschaftlichen Bereiche zu übertragen. Die leicht unterwürfige politische Ergebenheit gegenüber diesen Ratgeber_innen, hatte etwas von der Eingeschüchtertheit des armen Hauslehrers, der sich von der reichen Herrschaft anhören muss, wie denn zu unterrichten sei. Mit der Bestellung von Johannes Attems (Kontrollbank) zum Vorsitzenden des MUMOK-Kuratoriums wurde in der vergangenen Woche einer weiteren Spitzenkraft aus dem Finanzsektor eine Schlüsselposition im Kulturleben übertragen. Gäbe es eine Vorsitzendenkonferenz der Kuratorien der Österreichischem Bundesmuseen wäre den Bankvorständen nun eine satte Mehrheit sicher, und bei einem Treffen mit der Ministerin wäre man dann endgültig unter sich. (1) Dies wird gemeinhin damit begründet, dass es sich bei den Kuratorien um «rein wirtschaftliche» Aufsichtsgremien handle. Jemand müsse «die Zahlen verstehen», hört man dann gerne als Begründung für die Berufungen, ganz so als ob das Verständnis von Jahresabschlüssen in (maximal) niedriger zweistelliger Millionenhöhe eine Geheimwissenschaft wäre. Doch auch wenn man dieser Logik folgt, könnte diese Aufgabe genauso gut von Leitungspersonen größerer NGOs wahrgenommen werden, deren Umsätze häufig deutlich höher liegen, als die der Bundesmuseen. Gegen die Verengung der Aufsicht auf angeblich rein wirtschaftliche Aspekte könnte auch eingewendet werden, dass nach den Geschäftsordnungen der Kuratorien der Bundesmuseen (2) etwa die «Erstellung des langfristigen Museumskonzepts» im Einvernehmen mit den Kuratorien zu geschehen hat, und dass «die Annahme von Dauerleihgaben und Schenkungen mit Folgekosten von mehr als 100.000.- Euro jährlich» («Lex Batliner-Schröder») nur mit Zustimmung des Kuratoriums möglich ist. Nicht zuletzt aus diesen Zuständigkeiten und der expliziten Anlehnung an (haftende) GmbH-Aufsichtsräte ließe sich auch formaljuristisch folgen, dass die damit betrauten Personen «spezifische Detailkenntnisse über das jeweilige Unternehmen und die Branche» aufbringen müssten, wie es ein aktueller Artikel zweier spezialisierter Rechtsanwälte, unter Berufung auf die Rechtsprechung, von Aufsichtsräten verlangt. (3) Der Text hält – als Argument dafür einen schönen, schlanken Nachsatz bereit: «Andernfalls ist er (der Aufsichtsrat, Anmerkung des Verfassers) nicht in der Lage, die strategische Planung der Geschäftsführung kritisch zu beurteilen.» NGO Manager_innen in Museumsboards? Andere Kulturschaffende? Oder etwa gar Künstler_innen? Wem diese Vorstellungen abwegig erscheinen, sei auf das Board der TATE in London verwiesen, die die Zusammensetzung ihres obersten Leitungsgremiums wie folgt beschreibt: «Because Tate's Trustees act as guardians of the public interest, we seek to have a broad representation of different backgrounds, areas of expertise and perspectives on the Board. Trustees are frequently leaders in their fields, and include practicing visual artists; experts in education and art; as well as leaders in media and business». So finden sich in dem 14-köpfigen Gremium, dessen Sitzungsprotokolle übrigens online einsehbar sind (4), neben den gesetzlich vorgeschriebenen drei Künstler_innen (Tomma Abts, Wolfgang Tillmans und Bob und Roberta Smith) eine Lehrerin ebenso wie eine Sammlerin, eine Filmproduzentin und ein Professor für Kunstgeschichte. Natürlich finden sich auch ein Investmentbanker und ein Rechtsanwalt in der Gruppe unter dem Vorsitz des ehemaligen BP Managers Lord Browne of Madingley, doch immerhin wird in Ansätzen versucht, das Konzept der «Peer Review» auf die Governance öffentlicher Kunstinstitutionen zu übertragen.  Bevor wir jedoch in Missgunst gegenüber jenen Kräften verharren, die uns in den letzten Dekaden – gefragt oder ungefragt – immer wieder erklärt hatten, wie man es denn «in jedem Unternehmen» mache, und damit nur das Missverständnis zum Ausdruck brachten, dass die ganze Welt ein Unternehmen wäre, scheint es zielführender die Kräfte in Jiu-Jitsu Manier gegen den Angreifer zu wenden: Was wäre denn, wenn wir im Gegenzug unsere Aufsichts-, Kontroll- und Mitwirkungsrechte dort einfordern würden, wo zuletzt die öffentliche Hand viel heftiger investiert hat, als im Kulturbereich, und wo die Verengung auf «rein wirtschaftliche» Sichtweisen zu desaströsen Auswirkungen führte? Warum sollten wir nicht unsere Expertise in der Schaffung von Öffentlichkeiten, Gemeinnutz und Diskurs ebenso offensiv zu Markte tragen, wie jene, die sich von 1989 bis zur Krise von 2008 kurz als Herrscher der Welt sahen? Das Bundesmuseum MUMOK und die Hypo Alpe Adria haben mittlerweile eines gemeinsam: Beide Institute befinden sich im Eigentum der öffentlichen Hand. Statt Johannes Attems Bestellung zu kritisieren, könnten wir daher die Ernennung seines Vorstandskollegen Rudolf Scholten (Kulturminister von 1990 bis 1997) zum Aufsichtsrat der Hypo Alpe Adria als Zeichen einer Trendwende nehmen, und verstärkt die Präsenz von Mitgliedern der Kultur- und Zivilgesellschaft in Aufsichtsorganen des Finanzsektors einfordern.Die ebenfalls im öffentlichen Eigentum stehende Kommunalkredit – der frühere Arbeitsplatz der aktuellen Kulturministerin – wäre dafür – mit ihrer Ausrichtung an kommunalen Anliegen und sozialer Infrastruktur – eine geeignete Kandidatin: Anders als bei der TATE, für deren Board man sich bewerben kann (5), bleibt jedoch hier nur die Parole: Kulturschaffende! Werdet Bankaufsichtsräte!
Mehr Texte von Martin Fritz

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