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Oliver Dorfer - full screen: Die Farbe des Internet

Wer Platon liest, wird unter Umständen nicht darüber hinwegkommen und könnte sich anhaltend über das mangelnde Licht und die schlechte Situation im Höhlengleichnis ärgern, wo lediglich die Schatten der Ideen sichtbar werden, aber nicht die wahren echten Ideen selbst. Die Gemeinheit eines dauernden Lebens im Dunkel existentieller Dummheit kann einem durch Platon so richtig zuwider werden, und so könnte man sich vielleicht einen Ekel und eine fragende, Erleuchtung suchende Wirrnis unfehlbar antrainieren und müsste dies für immer ertragen. Heute wird Sichtbarkeit immer mehr zur Möglichkeit innerhalb des Internet, mit dem wir die realen Verhältnisse überwinden und neue Transparenz zwischen Räumen aller Art erfinden und nutzen. Inwiefern Sichtbarkeit immer auch Unsichtbarkeit bedeutet, die Finsternis des Abwesenden sozusagen, ist eine der drängendsten Fragen an jede gute Malerei, denn Bilder sind gewollte Produkte, von denen ein Malender entschieden hat, dass sie so aussehen sollen, um etwas zu zeigen, was sonst nicht gesehen werden könnte. Viele der in der Ausstellung full screen von Oliver Dorfer präsentierten Arbeiten sind in hervorragender Darstellung des Internet bequem vom Sofa aus zu besichtigen. Insofern ist das Verpassen der Schau in der Ankerbrotfabrik keine Frage von Schuld oder Feinstaubeinsparungen. Die Bilder sehen schlicht gut aus, egal wo, sie sind in ihrer schimmernden Eleganz und ihrer nuancierten Virtuosität räumlicher Gleiterscheinungen deliziös, auf mondäne Art global. Sie beantworten keine Fragen. Sie quatschen nicht dazwischen. Sie bringen keine Pointe, bevor der Witz nicht entdeckt wurde. Sie hämmern keine Dogmen und stimmen nicht für eine bessere Welt. Sie zeigen nicht anrührend-klebrige Doofheiten. Sie zeigen Bilder aus verschiedenen Zeiten, Gesichter von verschiedenen Kontinenten, keine Automobile, keine gewalttätigen Waffen, keine übertriebenen Möpse und keine Generalikonen aus Film, Funk und Fernsehen. Sie spannen sich auf zwischen Mikro- und Makrokosmos und Hell und Dunkel. Sie beweisen, dass Rot eine Farbe von sachlich gefassten Nachtträumen sein kann und nicht grob, politisch, potent oder aufmerksamkeitsversessen sein muss. Bilder, die es schaffen, eine einzelne Farbe umzudeuten, sind von rarem Charakter. Es sind Bilder für lange Spaziergänge, die man von einem Sofa aus machen kann, friedlich und ohne sich dabei über zu geringe Hundesteuern und zuviele Gackerln ärgern zu müssen, weil die Augen ein flexibles Organ sind und nach innen hinein keine Füße brauchen. Wenn man an Platon gelitten hat, wird man die Bilder tröstlich finden können, denn sie sind von der Art, in der man den Schatten als das eigentlich Lebendige auf der Höhlenwand erkennt, das echt Lebendige, das genauso sichtbar wie unsichtbar Wichtige und Riesengroße, das das Leben und den Traum davon selbst kennzeichnet.
Mehr Texte von Charles Nebelthau

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Oliver Dorfer - full screen
29.10 - 23.12.2011

HilgerBROTKunsthalle
1100 Wien, Absberggasse 27
Tel: +43 1 512 5315 220, Fax: +43 1 603 0639
Email: brot@brotkunsthalle.com
http://www.brotkunsthalle.com
Öffnungszeiten: Di-Sa: 12-18h


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