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Ars Electronica Festival 2011

Im Hören liegt die Kraft Aus bescheidenem Wissen – Expertisen zufolge kennen wir bislang vier bis fünf Prozent des uns umgebenden Universums – gesellschaftlich relevante Positionen generieren zu wollen, geschieht seit Menschengedenken und der Ursprung allen Seins ist dabei ein zentrales Thema. Dieses wurde auch bei der heurigen Ars Electronica anhand eben jenen beiden Ideen bearbeitet, die seit langem den diesbezüglichen Diskurs bestimmen. So findet sich naturwissenschaftliche Forschung auf der einen Seite und der meditative Kirchenraum auf der anderen. Dazwischen gibt es Schnittstellen an denen eine Idee in die andere übergeht, was für einen Moment tatsächliche Erkenntnis erlaubt. Der Vortrag Humberto Maturanas – gehalten im Rahmen des Symposiums „Origin“ – ist ein Beispiel dafür. Er ist einer der letzten großen Denker des 20. Jahrhunderts und ein unbequemer Zeitgenosse, geht er doch davon aus, dass wir unsere Rationalität lediglich dazu nützen, um unsere dahinterliegenden Emotionen zu bestätigen. Er betrachtet Wirklichkeit als ständig neu produzierte erklärende individuelle Absicht, in der es keine Unterscheidung von Erkenntnis und Illusion gibt. In dieser Hinsicht sind denn auch die Versuche des CERN, dem diesjährigen und vermutlich auch längerfristigen neuen Partner der Ars Electronica, an sich eher als künstlerischer work in progress, denn als naturwissenschaftliche Forschungsarbeit zu betrachten. Kunstschaffende, die mit neuen Technologien außerhalb des CERN umgehen, können hier nur über die Fördersummen staunen, die dafür weltweit aufgebracht werden, während ansonsten die Budgets weithin kontinuierlich verkleinert werden. Sam Auinger, diesjähriger Featured Artist, erlaubte den BesucherInnen im Linzer Mariendom mit der Arbeit „100.000m3 bewegte Luft“ ein großartiges Klangerlebnis und zeigte im Lentos mit „Linz R2“ zusammen mit seinem langjährigen Partner Bruce Odland, worum es beim Hören (im öffentlichen Raum) grundsätzlich geht. Dabei könnte die Wahl der beiden Orte nicht diametraler sein, denn während der Dom über eine inhärente Akustik verfügt, die einem einzigen unverstärkten Pfarrer die Aufmerksamkeit von bis zu 17.000 Menschen erlaubt, scheinen akustische Aspekte in einem modernen Kunstbau nicht mehr existent. Das Sehen hat die Kontrolle über das Hören gewonnen; dabei heißt es, dass wir zwar unsere Augen schließen können, unsere Ohren aber nicht. Die Frage drängt sich auf, ob die zeitgenössische Architektur über den Möglichkeiten neuer Technologien strukturell eventuell etwas nachgelassen hat? Sensibel, lautstark, expressiv und voller Hingabe hörte sich denn Sam Auingers Arbeit an, die sich sitzend, gehend oder ruhend im gedimmten Kirchenraum erleben ließ. Das Selbst ist mit sich allein in dieser Umgebung, die dem Glauben gewidmet ist, dem aber an diesem Abend keine entsprechende Bedeutung mehr zukommt. Das Altarlicht ist abgedreht, das gotische Schiff steht im Vordergrund. Stille macht sich breit. Die Macht der Stimme im akustischen Paradies. Interessanterweise gibt es im Rahmen von „Höhenrausch II“ in der Linzer Ursulinenkirche eine Installation von Janet Cardiff, die mit alter Musik ebenfalls Hörgenuss der Extraklasse zu generieren weiß. Zwei Enden einer musikalischen Skala, ein gemeinsamer Effekt. Die BesucherInnen kommen für einen Moment lang zu sich selbst, und zur Ruhe, verlassen gestärkt die Kirchenräume. Derartiges war in den Kunsträumen nicht zu erleben.
Mehr Texte von Ursula Hentschläger

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