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Stylectrical. Von Elektrodesign, das Geschichte schreibt: Bad Apple?

Design oder Nichtsein – das war wohl so ziemlich genau die Frage, die sich Steve Jobs 1997 beim erneuten Einstieg in die von ihm einst mitgegründete Firma Apple stellte; denn Apple hatte damals – aus heutiger Perspektive, wo das Unternehmen als wertvollster Technologiekonzern der Welt notiert, eigentlich unvorstellbar – gründlich abgewirtschaftet, stand am Rande des Ruins und konnte nur durch eine 150 Millionen Dollar-Finanzspritze von, ausgerechnet, Bill Gates vorübergehend wieder flottgemacht werden. Und Steve Jobs entschied sich, wie alle fanboys und -girls der kalifornischen Kultmarke nur zu gut wissen, für das Sein, ernannte folglich Jonathan Ive zum Chefdesigner und sah, dass alles gut wurde. Wir hingegen sehen nun in der Hamburger Ausstellung, der ersten Museumsschau, die sich der Sache(n) mit dem Apfel annimmt, wie es denn gut wurde; wie also Apple etwa augenblicklich die Kurve kriegte, indem Ive und sein Team den iMac ersannen, ein wahrhaft revolutionäres Stück Designgeschichte, das auf der technischen Ebene das alte „All in one“-Prinzip der frühen Macintosh-Computer beibehielt, diese Hardware dann aber eben nicht in einer der üblichen beigen bzw. grauen Schachteln versteckte, sondern in einem aus buntem, transluzentem Kunststoff gefertigten und irgendwie ovaloid, jedenfalls völlig unerhört geformten Gehäuse gleichsam ausstellte und dadurch zweierlei erreichte: erstens dem Menschen die Befangenheit vor der Black Box, also der undurchschaubaren Technik zu nehmen und zweitens, und daraus folgend, ein höchstens als notwendig angesehenes Arbeitsgerät in einen echten Personal Computer, das heißt in ein schickes, individuelles und gerne in Kauf genommenes Büro- oder Wohnaccessoire zu verwandeln. Drittens ließe sich aber auch gleich hier, an diesem ersten, zweifellos ins kollektive Gedächtnis eingegangenen Geniestreich Jonathan Ives die eigentlich schon von Anbeginn an, das meint genau seit 1976, in Geltung stehende Firmenphilosophie von Apple herauspräparieren: Die Firma besticht eben nicht durch technologische Innovationen – Apple hat keine einzige der Techniken, die ihre Verkaufserfolge aus dem letzten Jahrzehnt: iPod, iPhone und iPad antreiben, im ursprünglichen Sinn erfunden –, sondern versteht sich offenbar wie niemand sonst darauf, seine Produkte schön benutzerfreundlich zu gestalten, den Wünschen nach möglichst müheloser Handhabbarkeit nicht nach-, sondern zuvorzukommen, denn diese sind ja oftmals noch gar nicht ausformuliert. Kurzum: Apple erweist sich als der große Vereinfacher, vielleicht sogar Verführer, der dem Menschen erlaubt, sich mit der Technik auszusöhnen, sie sich untertan zu machen. Und ebendiesem Zwecke dient das vielgerühmte Apple-Design, was vor allem gilt, seitdem mit der Einführung des iPod 2001 ein kaum zu überbietender und nunmehr edel (statt poppig) wirken wollender Minimalismus den Ton angibt: meist in Schwarz, Weiß oder Silber gehaltene Produkte mit stets abgerundeten Ecken und Kanten und wenigen, sich geradezu selbst erklärenden Bedienungselementen. Im Übrigen eine Gestaltungsweise, die, wie die Ausstellung deutlich vor Augen stellt, nicht unwesentlich und sogar eingestandenermaßen von deutschem 50er Jahre-Design namentlich der Firma Braun (mit ihrem Chef-Entwerfer Dieter Rams) beeinflusst ist. Eine gewiss bemerkenswerte, vielleicht aber sogar bezeichnende Anleihe, zielte die damalige Aufgeräumtheit doch darauf, den Mief der Nachkriegsgesellschaft zu vertreiben und vergessen zu machen. Und so könnte es sein, dass das Apple-Design in unseren Tagen unter anderem deshalb so verfängt, weil auch dahinter etwas zurücktreten, das heißt die letztlich immer komplexer, unverständlicher und unsicherer werdende Wirklichkeit zum Verschwinden gebracht werden kann. Ist also der Apfel, früher ein Symbol des Wissen-Wollens, heute vielleicht genau zum Gegenteil dessen verkommen?
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Stylectrical. Von Elektrodesign, das Geschichte schreibt
26.08.2011 - 15.01.2012

Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
20099 Hamburg, Steintorplatz
Tel: +49 0 40 428 134 - 27 32, Fax: +49 0 40 428 134 - 28 34
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Öffnungszeiten: Di - So 10.00 - 18.00, Do 10.00 - 21.00


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