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Deutsche Dummheit

Existenzielle Bedrohungen verlangen drastische Formulierungen, mögen sich einige Uni-Rektoren gedacht haben. Sie drohten dieser Tage, Studienrichtungen einzustellen – wenn sie von der Politik weiterhin im Regen stehen gelassen würden. Leider ist hier zu Lande mittlerweile zu befürchten, dass derartige Negativ-Visionen von der Politik missinterpretiert werden. Der Wissenschaftsminister, der einer wenig ambitionierten Regierung vor allem als Feigenblatt dient, fühlte sich postwendend in seiner Forderung nach Zugangsbeschränkungen bestätigt – bisher seine einzige Reaktion. Und was werden jene sagen, deren Entscheidungen wirklich zählen? Was ist etwa von einer Finanzministerin zu erwarten, deren inferiore Englischkenntnisse allen auch nur mittelprächtig der Lingua Franca Mächtigen die Schamesröte ins Gesicht treibt? Was von einem Bundeskanzler, der die Dodelzeitungen des Landes großzügig mit Inseraten beschenkt? Was meint des Wissenschaftsministers Chef, der vor wenigen Wochen noch höhere Studiengebühren bei Fächern mit besonders hohem Zulauf und / oder schlechten Berufsaussichten verlangte? Es erscheint mittlerweile kaum noch abwegig, dass diese – die Uni-Absolventen unter ihnen durften übrigens noch unter paradiesischen Umständen studieren – die Drohungen der Rektoren als konstruktiven Vorschlag verstehen. Wozu braucht es die Kunstgeschichte in Wien, wenn es auch in Graz und Innsbruck jeweils ein Institut gibt, mag sich so ein Regierungsmitglied denken. Warum noch Musikwissenschaften – studiert doch eh kaum wer? Arabistik, Orientalistik, Sinologie – wen interessieren diese Orchideenfächer schon? Und hat man damit nachher überhaupt einen ordentlichen Beruf? Außerdem, wenn man da weiter überlegt: Eigentlich könnte man auch die Kunstunis zusammenlegen. Warum brauchen wir in Wien zwei davon? Eine müsste doch reichen, für diese Gfrastsackeln, die nachher ohnedies nur dem Staat auf der Tasche liegen. Und Architektur können’s auch auf der TU studieren. Angesichts der bereits eingetretenen „Maßnahmen“ im Forschungsbereich muss man den Verantwortlichen derartige Überlegungen zutrauen. Schon die schildbürgerhaft anmutende Idee, außeruniversitäre Institute zwecks Einsparungen an die Unis anzubinden sowie die geplante Streichung der Förderungen für wissenschaftliche Publikationen bezeugen eine haarsträubende Ignoranz gegenüber der Wissenschaft. Der SPÖ-Bildungssprecher wies unlängst in einem Interview mit der „Presse“ die Schuld an der Uni-Misere der, wie er es wörtlich ausdrückte, „deutschen Dummheit“ zu – weil zwei Abiturientenjahrgänge gleichzeitig, viele davon eben an österreichischen Unis, zu studieren begännen. Wie kann jemand, der solch derart stumpfsinnige Ressentiments bedient, überhaupt Bildungssprecher werden? So dumm sind die Deutschen, dass sie ihre Unis in Krisenzeiten mit Finanzspritzen stützen Die klugen Österreicher hingegen lassen sie lieber verhungern.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Deutsche Dummheit
Kurt Kratzel | 24.08.2011 09:44 | antworten
Was verwundert sie an dieser Aussage - der Bildungssprecher passt zu seinem Chef, dem Bundeskanzler

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