Werbung
,

Sinusklänge über München

Bei art.homes bespielen Künstler Privatwohnungen „Mein erster Gedanke war: das ist so ruhig hier, verglichen mit Istanbul. Wenn ich durch die Wohnung gehe, dann spüre ich, dass hier ein spiritueller Mensch lebt“, erzählt Hera Büyüktasciyan. Die türkische Künstlerin sitzt an einem langen Kiefernholztisch, eine Dachwohnung, im Münchner Stadtteil Lehel. Der Bewohner, ein Organist, ist in Urlaub. Hera ist nicht allein, ihr deutscher Kollege Matthias Männer geht ins Wohnzimmer, sieht sich die CD-Regale an und bewundert den Lichteinfall, der durch die vielen Fensteröffnungen im Dach in die Wohnung flutet und jeden Raum von allen Richtungen durchströmt. Matthias Männers Blick streift über den Esstisch und fällt vom sechsten Stock aus auf eines der schönsten Stadtviertel Münchens. Ein traumhafter Ort! Hera Büyüktashiyan und Matthias Männer sind eines von zehn Künstlerpaaren, die bereits im November 2010 in Istanbul zusammen arbeiteten und jetzt in München den zweiten Teil ihrer Koproduktion fortsetzen: art.homes heißt das Austauschprojekt, das Künstlern ermöglicht, in privaten Wohnungen Installationen, Skulpturen und Videoprojektionen zu realisieren. Am 9. August ist die Vernissage, anschließend sind die Wohnungen elf Tage lang bis 21. August für Besucher geöffnet. Hera hat aus Istanbul rote Bänder mitgebracht. Auf dem Tisch liegt ein ganzer Berg noch zusammengerollter Päckchen und auf den Manschetten steht der türkische Markenname „Uygun“, auf deutsch „Passend“. Hera geht das Bücherregal entlang: „Ich weiß kaum etwas über den Bewohner, aber die Bücher erzählen mir einiges. Auch wenn ich die Sprache nicht kenne, sehe ich, dass das jemand ist, der sich für Musik interessiert, für Philosophie und Feng Shui.“ Hera Büyüktashiyan sucht sich ein paar Titel aus, die sie ansprechen. Die Farbe des Covers ist entscheidend. Sie greift vor allem nach den bunten Buchrücken, weil die Wohnung farblich sehr zurückhaltend ist. Anschließend wählt die Künstlerin noch ein paar Bücher nach den Autoren aus: Stefan Zweig, Leonardo da Vinci und Rumi, ein persischer Mystiker und Sufi-Dichter. Bestimmte Zeilen oder Wörter aus den Büchern wird sie später auf die langen rote Bänder schreiben. Diese werden dann als verlängerte Lesezeichen zwischen die Seiten der Bücher geklemmt über den Tisch gelegt. Matthias Männer baut eine abstrahierte Skulptur aus Styroporplatten. Ähnlich den Pfeifen einer Orgel wird die Skulptur aus unterschiedlich hohen Säulen bestehen. Parallel dazu plant er eine Soundinstallation. In seinem Computerprogramm hat Matthias einen orgelähnlichen Sinusklang gewählt. Per Mauklick bedient der Künstler die Klaviertastatur auf dem Display und legt ein Klangcluster an. Einzelne Töne schwellen an, überlagern sich und ganz langsam breitet sich ein sphärischer Klangteppich aus, der wieder verebbt. „Momentan überlege ich, ob ich’s den Besuchern überlasse, selber Geräusche und Klänge zu produzieren“, meint Matthias Männer. Man ahnt bereits jetzt, dass das Künstlerduo eine sehr eigene Atmosphäre entstehen lassen wird: ruhig, meditativ, ja geradezu transparent.
Mehr Texte von Astrid Mayerle

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: