Werbung
,

Animismus. Moderne hinter den Spiegeln : Das Magische ist das Politische

1913 schrieb Freud, in der modernen Zivilisation sei die Kunst das Reservoir des Animismus. Die Generali Foundation untersucht aktuell die Implikationen dieser Zuflucht und problematisiert den Begriff des Animismus in seiner ganzen Komplexität: Als Negativfolie der entzaubert-aufgeklärten Welt setzt die Ausstellung den "primitiven" Glauben ans Magische in Beziehung zu Kunst, Film und Museum, zu Naturwissenschaft und Psychoanalyse. Die Kurator_innen Anselm Franke und Sabine Folie stecken ihre Ziele hoch und wollen die epistemologisch wie politisch schwerwiegende Grenzziehung zwischen Realität und Imaginärem nicht nur thematisieren, sondern gleich verändern. Dazu stellen sie der Kunst eine Menge Archivmaterial zur Seite – wobei die Grenzen zwischen beidem erfreulich fließend sind. Die Fülle des Gezeigten (allein die Gesamtdauer des Film- und Videomaterials beträgt 12 Stunden) lädt ein zu einer intensiven Auseinandersetzung. Victor Grippos stromerzeugende Kartoffeln und die New-Age-Doku The Secret Life of Plants erzählen von belebter Materie, während Agentur zuweilen absurde Abgrenzungen von Natur und menschlichem Artefakt aufdeckt. Verbindungen werden gezogen zwischen Musealisierung und Kolonisierung (Marker/Resnais), zwischen Animismus, Wissenschaft und Alphabetisierung (Didier Demorcy) und zwischen Avantgarde und Primitivismus (Ana Mendieta, Len Lye). Neben Disney und Hans Richter veranschaulicht besonders Ken Jacobs eindrucksvoll vielschichtig Animation als Spezifik des Films: Eine Stereographie, die Sklavenarbeiter_innen zeigt, setzt er durch den monotonen Wechsel zwischen ihren beiden Einzelbildern in Bewegung. Die Wirkung ist gespenstisch und Fragen nach der Anwesenheit des Abwesenden drängen sich ebenso auf wie solche nach dem Fortleben des Kolonialismus. Die Ausstellung, die zuvor bereits in Antwerpen und Bern Station gemacht hat, setzt in Wien den Schwerpunkt auf die Psychoanalyse. Zwei aufwendig recherchierte Videoinstallationen von Angela Melitopoulos/Maurizio Lazzarato widmen sich Guattaris und Tosquelles Verknüpfungen von anti-Freud’scher Subjektkonzeption, alternativer psychiatrischer Praxis und politischem Widerstand. Guattari macht in Freuds Psychoanalyse eine Kolonialmacht aus, der er vorwirft das Unbewusste an Bestehendes anzupassen statt es in seiner Eigenart zu würdigen. Dass der Animismus tatsächlich längst in die Konsumgesellschaft integriert ist, beweist wiederum Adam Curtis. Der Autorendokumentarfilmer führt vor, wie das Volk in Zeiten der Massendemokratie kontrolliert wird durch die strategische Übernahme von Freuds Theorie in Marketing und parteipolitischen Wahlkampf. So komplex die Untersuchung des Animismus hier auch ist, es bleibt zu fragen: Wo die Trennung von moderner Welt und Animistischem den Bereich der Kunst erst ermöglichte und zugleich entpolitisierte – kann da ausgerechnet eine Kunstausstellung die Repolitisierung des Imaginären leisten? Immerhin ist es vielleicht ein Anfang, wenn wenigstens die Generali-Besucher_innen es mit Hans Richter halten: „Für diese kurze Zeit mag doch ein Zweifel an der Allgemeingültigkeit der gewöhnlichen Subjekt-Objekt-Ordnung im Publikum eingetreten sein.“
Mehr Texte von Ines Kleesattel

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Animismus. Moderne hinter den Spiegeln
16.09.2011 - 29.01.2012

Generali Foundation
1040 Wien, Wiedner Hauptstrasse 15
Tel: +43 1 504 98 80, Fax: +43 1 504 98 83
Email:
http://foundation.generali.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Do 11-20, Sa, So 11-16h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: