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Franz Graf - DERR SCHRECKEN JEDOCH VERMEERTE MEIN INTERESSE: Strenge Kammer in Schutzfolie

So irritierend der Titel ist, so bezeichnend ist er für die aktuelle Ausstellung von Franz Graf in den Räumen der BAWAG Contemporary. Der Künstler hat im Alleingang seine bisher schwärzeste Schau kuratiert, gehängt und inszeniert. Einzig ein blütenförmiger Knäuel aus Resten roter Klebefolie durchbricht die schwarze Formalisitk wie Thematik. In den teils großformatigen, eigens für diese Schau geschaffenen Arbeiten zeigt Franz Graf eine neue Facette. Das Ornamentale und Abstrakte ist zurückgedrängt, das Individuelle in den Porträts nur in Reminiszenzen vorhanden, eine eigenartige, frappierende Affinität zum Fetischismus ist an den Tag getreten. Franz Graf offenbart einen sehr persönlichen Erfahrungsbereich. Es sind schwere, zum Teil abgründige Themen. Frauenleiber sind gefesselt, von Tattoo-Ornamentik und kreuzförmigen Zeichen gekennzeichnet, ihre Antlitze zum Teil maskenhaft mit schwarzer Tusche überdeckt. Sexualität, Lust, Leid, Schmerz, ausgelieferte Nacktheit, die über die körperliche Dimension hinaus auf das Psychische und Seelische übergreift, sind als unmittelbar erfahrene Momente manifest und miteinander unauflöslich verzahnt. Durch flächenhafte malerische Verhüllung sowie auferlegte Formalisierung ist das Dargestellte von der subjektiven auf eine allgemein gültige Ebene gehoben und wird somit als der menschlichen elementaren Existenz generell eminent präsentiert. Doch ist hierin nur ein Teilaspekt des Komplexes „neuer“ Franz Graf erfasst. Die installative Kombination mit den aufgefundenen Grabkreuzen, die einfach auf Paletten liegen, die verbliebenen schwarzen Verpackungen aus Müllsackfolie sollten klar machen, dass die Thematik über Bondage oder sadomasochistische Praktiken und selbst die Determiniertheit des menschliche Daseins hinausgeht und wesentlich essentiellerer Natur ist. Löst man sich von der einzelnen Darstellung und lässt sich vor allem auf die zentrale Installation in ihrer räumlichen immersiven Gesamtheit ein, beginnt die vordergründige Präsenz des Sexuellen zu kippen und ein starkes transitorisches Moment wird vorherrschend. Das Religiöse, das im Waldviertel, dem derzeitigen Rückzuggebiet von Franz Graf, eine starke alltägliche Rolle spielt, wird gegenwärtig - nicht als katholische Konfession, sondern als abstrakter, metaphysischer Zusammenhang. Die kreuzförmigen Zeichen und schwarzen Flächen, welche die Bilder und Frauenkörper darauf penetrieren, gehen einen unmittelbaren Bezug zu den Grabkreuzen ein, die nun mal schlichtweg, anscheinend vorübergehend, auf den Paletten abgelegt sind. Diese werden nicht nur in ihrer Funktion als temporäres Podest, sondern auch als Transportmittel deutlich. Die vielerorts von den Paletten wie von den Gemälden herabhängende schwarze Plastikfolie wirkt wie eine Haut, welche die bildliche Laszivität zwar unterstützt, zugleich aber Schutz gab oder wieder geben wird, vor dem Blick, vor dem Zugriff oder als Verpackung für eine Transferierung. Die Verortung der Installation als thematische Konzentration auf dem tiefer liegenden Niveau des mittleren Raumes im Ausstellungszusammenhang, und das unter einem Glasdach, unterstreicht den assoziativen geistigen Kontext. In diesem gewinnen auch Schriftzüge auf den Gemälden wie PURGA (auf Latein reinige!) oder LINERZIA DEL CUORE (auf Italienisch die Trägheit des Herzens) einen Aspekt, der auf eine ideelle, dem Irdischen überlegene Sphäre verweist. Die Ausstellung ist als sehr persönlicher Kommentar Franz Grafs interpretierbar: als eine Inszenierung der menschlichen gegenwärtigen Existenz als temporäre Bedingtheit, gnadenlos in bildlichem Ausdruck und Inhalt, aber zugleich definiert als transitorischer Moment in erweitertem, transzendenten Zusammenhang.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Franz Graf - DERR SCHRECKEN JEDOCH VERMEERTE MEIN INTERESSE
07.07 - 28.08.2011

BAWAG P.S.K. Contemporary
1010 Wien, Franz Josefs Kai 3
http://www.bawagpskcontemporary.at
Öffnungszeiten: täglich 14-20h


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