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beziehungsarbeit - kunst und institution: Von der Ästhetik der Kritik

Überraschend, mit welcher Leichtigkeit sich diese Ausstellung erschließt, fokussiert sie doch einen breiten Diskurs, der historisch von Konflikten begleitet ist und grundsätzliche Debatten über die Funktion von Museen und Kunsthallen hervorrief. Im Blickfeld steht das dialektische Verhältnis zwischen künstlerischer Praxis und Ausstellungsinstitution, jedoch keineswegs als x-tes update von Institutionskritik, sondern vielmehr als retrospektiver Überblick. So ergeben sich verschiedene Einstiege und Lesbarkeiten in ein Projekt, das sich offensichtlich nicht darum herum windet, auch vermittelnd zu wirken. Der Bogen reicht fast über 50 Jahre. Die Unterschiedlichkeit der Strategien manifestiert sich bereits über die Auswahl der künstlerischen Positionen. Wolf Vostell, Pierre Kirkeby, Georg Baselitz oder Yves Klein kommen ebenso vor wie Maria Eichhorn, Louise Lawler, Christian Phillip Müller oder Monica Bonvicini. Selbstverständlich auch Dorit Margreiter, Leopold Kessler, Andreas Fogarasi oder Gerwald Rockenschaub. Zugleich ergeben sich daraus Kristallisationspunkte ähnlicher Annäherungen. Ein deutlicher Anteil bündelt sich nämlich um die analytische und fotografische Auseinandersetzung mit der Funktion, den Potenzialen und Limitierungen von Museumsräumen, wofür etwa Candida Höfer paradigmatisch steht, andere wiederum bringen Vorschläge für Erweiterungen oder utopische Neubauten. Darunter etwa Daniel Buren in seinem unrealisierten Konzept für das Kunsthaus Bregenz aus 36 verbundenen Einheiten, für die jeweils unterschiedliche KünstlerInnen den Ort und vor allem die Form der Hülle definieren hätten sollen. Dies unter dem aus der Psychologie und dem Jargon der 1970er Jahre entlehnten Titel „Beziehungsarbeit“ zusammen zu fassen, irritiert, befinden wir uns doch auf der Ebene konzeptueller Auseinandersetzung mit Dispositiven der Architektur und im Spielfeld inhaltlicher Reibungen mit ideologischen Vorgaben von Seiten der Institutionen. Letztlich aber sind es eben genau Beziehungen, aus denen es kaum Fluchtwege gibt. „Nur ganz selten wird die Beziehung abgebrochen“, merkt Kurator Martin Fritz dazu an. Das Beispiel des Christopher D’Arcangelo, der sich an Museumstüren kettete und im Louvre Bilder abhängte, bevor er im Alter von 24 Jahren Selbstmord beging, ist eine tragische Ausnahme. Von D’Arcangelo liegen in der Ausstellung Kopien seiner Werk-Ordner auf. Grundsätzlich aber widmet sich die Ausstellung den produktiven und konstruktiven Beziehungen, wobei einige der auf Recherche basierenden Interventionen selbstverständlich nur dokumentarisch vorkommen können. Dafür steht der als Modell präsentierte Schriftzug des „Museum of Revolution“, den Marko Lulic als Referenz auf das unter Tito in Neu-Belgrad begonnene „Muzej Revolucije“ für das 20er Haus konzipierte. Ein Thema ist natürlich die Nutzung des Ausstellungsraumes selbst, was nicht zuletzt durch einem Pavillon von Dan Graham aufgegriffen wird. Allerdings ist dieser nicht leitmotivisch im Zentrum, sondern unprätentiös, ja fast unauffällig intim in einem der Seitenräume des Künstlerhauses platziert, während in einem der gegenüberliegenden Räume Gerwald Rockenschaubs „Café Leipzig“, eine temporäre Installation für die Gesellschaft für zeitgenössische Kunst in Leipzig an den Kunstraum als sozialen Treffpunkt erinnert. Hier zeigt sich, wie geschickt Matthias Klos das Display der Ausstellung organisierte. Es entstanden Resonanzverhältnisse und gegenseitige Aufladungen zwischen bildnerischen Werken, Installationen, Entwürfen und Dokumentationen mit fließenden Übergängen, wobei sich einige der Objekte und Installationen in einer Art Schwebungszustand befinden. Zwar fungieren sie jeweils als Ausstellungsstück, doch wirken sie, als würden sie einen Teil der Atmosphäre ihres ursprünglichen Orts der Präsentation oder Interventionen einbringen. Nur allzu leicht hätte ein solches Projekt durch superstrenge Einteilungen und Kategorisierungen schief gehen können. Dann wäre es in das Gegenteil dessen zurückgekippt, was die präsentierten KünstlerInnen ursprünglich intendiert hatten. Zugleich konzentriert „Beziehungsarbeit“ – und absurd wäre es, dies anderswo so zu betonen – Vergleichsmomente auf bildsprachlicher Ebene. Ein zentraler Anteil der oft ins Gesellschaftspolitische hineinreichenden Diskussionen um die Prägung von Wahrnehmung durch die über Institutionen transportierten Narrative und Stereotypen wird nämlich auf Textebene als Kritik, in Symposien und nicht zuletzt in breiteren Öffentlichkeiten medial ausgetragen. Die visuelle und formale Dimension künstlerischer Arbeit rückt nicht selten in den Hintergrund. Interventionen der Guerilla Girls etwa sind eben aktivistisch konzipiert und provozieren oft allgemeine gesellschaftspolitische Debatten. Beispielsweise ermittelten die Guerilla Girls die Quote zwischen männlichen und weiblichen Aktdarstellungen im Metropolitan in New York, was sie als genderpolitische Aktion per Plakat offensiv nach außen trugen. Nachdem der beauftragende Public Art Fund die Finanzierung verweigert hatte, mieteten sie Werbeflächen in öffentlichen Bussen in New York, worauf wiederum das Bildmotiv als anstößig untersagt wurde. Viele Auseinandersetzungen führen also beabsichtigt weit über das Werk selbst hinaus. Dass in einer solchen Retrospektive künstlerische Arbeiten, die tendenziell ähnliche Strategien verfolgen, auf ihre visuelle Dimension zurückgeführt werden, ist eine weitere Qualität. Wie jede Form von Beziehungsarbeit bleibt natürlich auch diese Ausstellung ein unabgeschlossenes Projekt, da sie mit wenigen Ausnahmen durchwegs Positionen aus dem österreichisch-deutsch-amerikanischen Kontext bringt, und – wie Christian Kravagna im Katalog schreibt – das Thema der Institutionskritik bald mit Fragen der globale Revision der Kunstgeschichte in Beziehung zu setzen sein wird. Doch irgendwo muss ein Anfang gesetzt werden. Dieser Anfang steht im Kontext der Auseinandersetzung mit dem 150-jährgen Bestehen des Künstlerhauses, das mit dieser Ausstellung somit eine Bezugslinie zur Gegenwart zieht. Ergänzt wird die Ausstellung übrigens durch Materialien aus dem Archiv des Ku?nstlerhauses, diese beziehen sich auf Themen der Ku?nstler/innenselbstverwaltung des Hauses mit einem Augenmerk auf Umbaudiskussionen, Nutzungsfragen und Debatten zum Selbstverständnis der Ku?nstler/innenvereinigung seit den 1960er Jahren.
Mehr Texte von Roland Schöny

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beziehungsarbeit - kunst und institution
17.06 - 06.10.2011

Künstlerhaus Wien
1010 Wien, Karlsplatz 5
Tel: +43 1 587 96 63
Email: office@k-haus.at
http://www.k-haus.at
Öffnungszeiten: täglich 10-18 h, Mi + Fr 10-22 h


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