Werbung
,

Manon - Hotel Dolores: Memento mori im Hotel Dolores

Manon, so nennt sich Rosmarie Küng (*1946) seit ihrer Jugend. Die Identifikation mit diesem klangvollen Namen geschah lange bevor eine künstlerische Karriere abzusehen war und so versteht sie ihn auch nicht eigentlich als „Künstlernamen“ sondern als Teil und Ausdruck ihrer Persönlichkeit. Mit der Installation „Das lachsfarbene Boudoir“ debütierte Manon 1974 in der Zürcher Kunstwelt und setzte fortan als Pionierin der Schweizer Performanceszene ihre Schönheit und Weiblichkeit in Aufsehen erregenden Selbstinszenierungen gezielt ein, um mit explizit sexuellen Inhalten, die objekthafte Rolle der Frau in der Gesellschaft zu thematisieren. In den 1980er Jahren wurde es eine Zeitlang ruhig um sie; Manon hatte sich vollständig aus der Kunstwelt zurückgezogen, bis sie 1990 mit neuen Arbeiten wieder in Erscheinung trat. Ihre aktuelle Fotoserie „Hotel Dolores“, von der nun eine Auswahl im Aargauer Kunsthaus Aarau in der Schweiz präsentiert wird, ist ein work in progress, das vor rund zwei Jahren seinen Anfang nahm und seither kontinuierlich zu einem Konvolut von rund 170 Arbeiten angewachsen ist. Vor dem Hintergrund dreier seit Jahren leer stehender, abbruchreifer Bäderhotels aus dem 19. Jahrhundert im aargauischen Baden inszeniert Manon mit Möbeln, Requisiten, Kostümen, Projektionen oder anderen Eingriffen kleine Environments, die dem morbiden Charme der bröckelnden Umgebung mehr als ein Quäntchen Schönheit und Magie abtrotzen. Hinter einen Türrahmen projiziert, balanciert da beispielsweise ein Seiltänzer in luftiger Höhe, während anderswo ein Einhorn beweist, dass es sich um einen verwunschenen, ja zauberhaften Ort in prekärer Balance handelt. Nirgendwo anders als in Hotels finde sich derart verdichtetes Leben, sagt die Künstlerin, da werde geliebt, gelacht, gehasst und gestritten. So meint man denn auch, in den präzise komponierten Fotografien Geschichten rund um Kurgäste und Personal zu entnehmen, die sich im Verlauf der Jahre in die Räume eingeschrieben haben. Denn entgegen ihrer physischen Abwesenheit sind die Menschen in den Dingen stets präsent. Die trotz ihrer genauen Inszenierung so beiläufig wirkenden Assemblagen sind kleine Stillleben von ausserordentlich malerischer Qualität. Durch überraschendes Aufeinandertreffen von Abwegigem irritieren und faszinieren sie gleichermassen, wirken anziehend und abstossend, heiter und traurig zugleich, ein Stilmittel, das Manon seit jeher pflegt: Ein von rauschenden Nächten zeugendes Ballkleid leuchtet rot vor staubigem Gemäuer, ein pelziger Eisbär befasst sich fast zärtlich mit einer Barbiepuppe, Prothesen, Spritzen und Verbandsmaterial lassen einen schaudern. Im Gegensatz zu ihren früheren Arbeiten fällt auf, dass sich Manon als Figur diesmal eher zurückhaltend in ihre Fotografien einbringt. Ältere Werke werden allenfalls distanziert als Bild im Bild zitiert, so etwa eine der berühmten Pariser Aufnahmen aus der Serie der „La dame au crâne rasé“ von 1977/78, die nun an der verwitterten Wand den Zeitsprung zwischen damals und jetzt verdeutlicht. Vergänglichkeit und Tod sind Themen, mit denen sich Manon in letzter Zeit vermehrt beschäftigt. „Zeit wird knapp“ oder „melancolia“ ist in zwei Aufnahmen von „Hotel Dolores“ zu lesen, wobei offen bleibt, wessen Stündlein hier angezählt wird. Im fragilen Erscheinungsbild des „Hotels der Schmerzen“ spiegelt sich schliesslich die zarte menschliche Figur; Raum und Körper nähern sich allmählich an. Im letzten Ausstellungssaal guckt die Künstlerin mit weisser Haube schüchtern zwischen den Stoffbahnen eines senffarbenen Vorhangs hervor, als wollte sie nur mal kurz nachsehen, ob das Einhorn vielleicht Lust verspürt, vorbeizukommen.
Mehr Texte von Sylvia Mutti †

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Manon - Hotel Dolores
29.01 - 25.04.2011

Aargauer Kunsthaus
5001 Aarau, Aargauerplatz
Tel: +41 62 835 23 30, Fax: +41 62 835 23 29
http://www.aargauerkunsthaus.ch
Öffnungszeiten: Di - So 10:00 - 17:00, Do 10:00 - 20:00


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: