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Schiele ist der Marmeladenmann: Werbung mit und für Kunst

Die „graue Kunst” verfolgt uns nun bereits seit vier Monaten. Seit mein zweijähriger Sohn zum ersten Mal die Plakate für die Rodin-Ausstellung im Belvedere sah, verging kein Spaziergang ohne aufgeregte Wiedererkennung des Sujets. Diese Erfahrung sensibilisierte des Vaters Wahrnehmung nicht nur für den hochfrequenten Medieneinsatz mit dem Kunstausstellungen beworben werden, sondern auch für den Umstand, dass es offensichtlich die Reflexe Zweijähriger sind, die bei Auswahl und Einsatz von Werbesujets im Vordergrund stehen, wie es sich auch in der Geschichte mit dem „Marmeladenmann” zeigte: „Der Marmeladenmann”, „der Marmeladenmann” hallte es laut durch das Museumsquartier. Zuerst verstand ich den Zusammenhang mit den Schielemotiven nicht, die der Kleine rund um das Leopold Museum entdeckte, bis mir dämmerte, dass er den Expressionisten vom Frühstückstisch kannte. Den Deckel einer „Staud”-Marmelade schmückt nämlich ein Selbstportrait von Schiele und – Stil bedeutet Wiedererkennbarkeit – somit sind alle Schieleköpfe „Marmeladenmänner”. Besser kann „Imagetransfer” nicht beschrieben werden, jener Abfärbeprozess von Sujet auf Produkt, auf den Werber hoffen, wenn sie sich imageträchtiger Kunstmotive bedienen. Doch hier verdreht das Kind die Transferrichtung und legt damit schonungslos offen, worüber immerhin spekuliert werden kann: Möglicherweise stellen überragende künstlerische „Trademarks” und die ihnen gewidmeten Museen nur mehr die Imageaggregate dar, die es braucht, um andere „Marken” wie Städte, Quartiere oder eben Marmeladen zu stützen. Doch auch Ausstellungswerbung wurde zu Produktwerbung und beugt sich ihren Kriterien. Es gilt ein eindringliches Sujet zu finden und dies in allen Medien „durchzuhalten”, auch wenn dies bedeutet, von den vielfältigen Angeboten eines Hauses immer nur eine Ausstellung oder ein Bild massiv in den Vordergrund zu stellen. So dominiert neben der „grauen Kunst” seit Monaten Ralph Goings „Airstream”-Wohnwagen das Stadtbild und wirbt in kühlem Blaugrau für „Hyper Real” im Mumok. Das Bild ziert natürlich auch das Cover des Katalogs, dies jedoch mit der werbetechnisch unerwarteten Folgewirkung, dass das Sujet für das Kind immer nur „das Buch” geblieben ist, das es seither hundertfach auf Plakaten, Karten und Inseraten immer wieder entdeckt. Immerhin ein hübscher Gedanke, dass einmal der gesamte Werbeaufwand für eine Ausstellung nur dem Katalog zu Gute kommen könnte. Pop Art entstand nicht zuletzt aus der Erschließung und Weiterentwicklung der Bildquellen aus Werbung und Alltagskultur. Als Werbemotive für einschlägige Ausstellungen wie etwa „Power Up -Female Pop Art” in der Kunsthalle Wien kehren die Bilder gewissermaßen zu ihren Wurzeln zurück, und werden wieder zu jenen Kommunikationsinstrumenten, die sie historisch inspirierten. Dass „die Frau mit dem Eis”, so der innerfamiliäre Code für das Kunsthallenplakat mit dem Bild „Ice Cream” von Evelyne Axell, nicht für Eis wirbt, sondern für die Kunsthalle, ist hier nicht so entscheidend, wie die vom Kleinkind korrekt vorgenommene Zuordnung zu einer Konsumsphäre, die es von den nahen Eissalons auf der Einkaufsstraße kennt. Dabei entgeht dem Kind einstweilen noch die sexuelle Konnotation des Motivs, die ums Eck – wieder bei Leopold – umso stärker in den Vordergrund tritt, wo „die Frau”, in Form eines überdimensional aufgeblasenen Aktes, die Südfassade des Museums prägt, was die Frage nahelegt, ob denn Sexismus in der Werbung nicht auch durch die Verwendung historischer Kunstmotive verwirklicht werden kann. Immerhin führt das Paradigma der werbetechnisch optimierten Bildauswahl zu einer drastischen Ausweitung des Lesestoffs im Kinderzimmer. Besonders geeignet sind Kunstzeitschriften mit hohem Inseratenaufkommen, sorgt doch die Aufmerksamkeitspanik offensichtlich für eine kollektive Infantilisierung der Bildsujets. Ein kleiner Auszug aus den Highlights des aktuellen „Hefts mit den Bildern” (Artforum): Von den „Kapuzenmännern” (Pawel Althammers „Common Task” am Cover), über die „fliegende Frau” (Marina Abramovic), den „Mann mit den Bällen” (Lee Wen) und den „Traktor” (Margarita Cabrera), vorbei an Skeletten und zahlreichen Tieren, bis hin zu Mickymäusen und mehreren Totenköpfen reicht ein populistischer Bilderbogen, dem sich auf dieser Ebene leider weder die „Hubschrauber” (Harun Farocki bei Ropac) noch „das Schwein” (Paul McCarthy) entgegenstellen können.
Mehr Texte von Martin Fritz

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