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Vernachlässigt und desavouiert: „Gremien” im Kulturbetrieb

Fällt bei unserer Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur sonst eher auf, wie gerne und häufig sie ich sagt, wo ein wir so manchen Mitarbeiter besänftigen würde, muss diesmal er ran, wo es um ihn geht. Wir sprechen von der Beauftragung Andreas Treichls mit der Aufgabe, als Vorsitzender des MAK-Kuratoriums den schweren Vorwürfen gegenüber Peter Noever (1) nachzugehen. Die an und für sich vernünftige Delegierung an das Aufsichtsorgan ist nur deshalb auffällig, weil sie im Schmied'schen Kosmos nicht die Regel darstellt, was auch bei der überfälligen Neubesetzung des MAK erneut ein ministerielles Solo erwarten lässt. Die am meisten vernachlässigte Ebene im österreichischen Kulturgeschehen – absurderweise vor allem bei den großen Institutionen – sind jene kollektiven Leitungsorgane, denen in seriös organisierten Kulturbetrieben eigentlich die höchste Verantwortung für die Geschicke der jeweiligen Häuser zukommen müsste: Vorstände, Aufsichtsräte, Boards oder eben Kuratorien, so unterschiedlich die Bezeichnung und die rechtliche Ausgestaltung im Einzelfall sein mag, so sieht doch jede in Frage kommende Rechtsform ein Kollektivorgan als höchste Leitungs- bzw. Aufsichtsebene vor. Unkontrollierte Einzelunternehmungen sind jenen vorbehalten, die ihre Häuser alleine und privat finanzieren. Für die Bundesmuseen wurde eine etwas halbherzige Form gewählt: Den neunköpfigen Kuratorien ist explizit nur die wirtschaftliche Kontrolle zugewiesen, was – in Verbindung mit einer weiterhin „zentralbürokratischen” (2) Besetzungspraxis – verhindert, auf dieser Ebene umfassende Aufsichts-, Strategie- und Leitungskompetenz verankern zu können. Doch auch außerhalb der Bundesmuseen hat es in Wien wenig Tradition, jener Ebene Aufmerksamkeit zu schenken, auf der am ehesten eine stärkere Integration und Teilhabe von Fach- und Zivilgesellschaft in die Geschicke von Kulturinstitutionen vorangebracht werden könnte. Zu dominant ist das Erbe von Monarchie und Zentralverwaltung, als dass fach- und zivilgesellschaftliche Selbststeuerung eine Chance auf Weiterentwicklung hätte . Bewertet man stichprobenartig die Zusammensetzung etwa des Aufsichtsrates der Bundestheaterholding (Vorsitz: Max Kothbauer), den Aufsichtsrat der Wiener Festwochen (Vorsitz: Rudolf Scholten) und den Vorstand der Wiener Symphoniker (Präsident Rudolf Streicher), so landet man schnell wieder in jenem politik- und bürokatienahen Umfeld, welches in den letzten Jahren primär um Vertreter der ehemals prestigeträchtigen Finanzwirtschaft ergänzt wurde, ein Sektor, dessen Repräsentation in Leitungs- und Aufsichtsgremien im Kulturbereich mittlerweile als überproportioniert und sachlich nicht gerechtfertigt angesehen werden muss, insbesondere, wenn man sich die Nicht-Vertretung anderer Anspruchsgruppen in diesen Organen vor Augen hält. Es gibt auch Fortschritte: Bei den großen Institutionen nicht mehr so häufig verbreitet, ist der beliebte Konstruktionsfehler vieler kleinerer Vereine, die jeweiligen operativen Leiter und Leiterinnen selbst in die Vorstände aufzunehmen, was etwa bei Teamproblemen zu einer Blockierung der Konfliktlösung führt, wenn die hilfesuchenden MitarbeiterInnen im Vorstand wieder auf den Chef treffen. Erwähnenswert sind auch Versuche einer veränderten Entsendepraxis (Silvia Eiblmayr im MUMOK und Renée Schröder im NHM) oder manche Hinweise darauf, dass auch LeiterInnen beginnen, die Vorteile zu sehen, die ein verändertes Rollenverständnis von „Funktionären“ mit sich bringt, wie es etwa in der Sichtbarkeit Eric Pleskows als Viennale-Präsident spürbar wird. Trotz dieser zart aufkeimenden Veränderungen gehören „Gremien” in der österreichischen kulturpolitischen Landschaft zu den am wenigsten genutzten Potenzialen für institutionelle Erneuerung. Die Möglichkeiten ihrer (partei)politischen Steuerung oder bestehende Weisungsabhängigkeiten reduzieren ihre Handlungsfähigkeit und machen es gerade den direktoralen Ego-Maschinen leicht, jene Organe zu desavouieren, denen sie eigentlich unterstellt sein sollten, um sie im professionellen Sinn zu „zivilisieren”. Als Haim Harari, der ehemalige Leiter des Weizmann Institutes, 2006 laut und deutlich eine 50-prozentige Mindestpräsenz für unabhängige WissenschafterInnen im Leitungsgremium des geplanten Institute for Science and Technology Austria in Maria Gugging als Voraussetzung für dessen Funktionsfähigkeit (und seine weitere Involvierung) forderte, wurde ihm bereits am nächsten Tag die dafür benötigte Gesetzesänderung signalisiert. Eine gleichlautende Anregung für die Bundesmuseen – öffentlich vom Verfasser dieser Zeilen an die frühere Bundesministerin gerichtet – blieb damals folgenlos. Mal sehen, was morgen kommt ...
Mehr Texte von Martin Fritz

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2 Postings in diesem Forum
Solche ...
Walter Stach | 03.11.2010 12:25 | antworten
... wie die von Martin Fritz in seinem Artikel hervorgehobenen Gremien, aber auch andere (Kommissionen, Beiräte usf.) können im besten Fall herausragender Sachkundigkeit Gremien sein, die einem/einer Minister/in bei manchen Entscheidungen hilfreich zur Seite sitzen (bei Besetzungen, Approbationen, Preis- und anderen Vergaben, Kontrollen, ...); sie können aber nicht die Letztentscheidung treffen - und sollen es m. E. auch nicht. Die politische Verantwortung ist - so es sich um nicht-private Einrichtungen handelt - gesetzmäßig der Ressortleitung übertragen.
Dietmar Steiner
Dietmar Steiner | 03.11.2010 07:49 | antworten
Fritz vermeidete den Heinweis auf den Witz, dass jenes Gremium, das die wirtschaftliche Kontrolle auszuüben hat, von der Frau Bundesminister angewiesen werden muß, diese auch auszuüben ?!

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