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Aus der Mottenkiste: A.T. Kearney berät Museen

„Würde das Café Kafka eine van Gogh Ausstellung veranstalten, hätte es mehr Besucher. Ganz zu schweigen vom Potenzial einer Disco in der Kirche, könnte deren Kinderkrippe mit Gewinn geführt werden, wenn in ihr die „Mona Lisa” hinge. Letztendlich hätte auch das „Stehbeisl” gegenüber mehr Frequenz, wenn jeden Abend U2 unplugged spielen würde.” Mit diesen Sätzen zum wirtschaftlichen Potenzial meiner Gasse bewerbe ich mich hiermit um eine Stelle bei A.T. Kearney, der – laut Eigenlob – „Top-Managementberatung”, die in regelmäßigen Abständen Studien veröffentlicht. Die letzte heißt „Kulturmanagement im Elchtest” mit dem Untertitel „Was machen Louvre, Metropolitan Museum & Co. richtig? Österreichische Kulturinstitutionen im Vergleich” und analysiert ausgewählte Kennzahlen österreichischer und internationaler Kulturinstitutionen, vor dem Hintergrund eines Szenarios eines 10prozentigen Rückgangs öffentlicher Förderung bis 2020, bei einer gleichzeitigen Kostensteigerung von 24 % im selben Zeitraum. (1) Die Ausgangshypothese ist (leider) realistisch und auch die daraus abgeleitete Gefährdung jeder zehnten Kulturinstitution, mit der die begleitende Presseaussendung betitelt wurde, sollte ernst genommen werden, doch werden die Zurufe aus dem Beratungsunternehmen ärgerlich, wenn es im Weiteren um sogenannte „Best Practices” und „Handlungsempfehlungen” geht, deren „Logik” ungefähr den einleitenden Bewerbungssätzen entspricht. Die Studienleiterin, Claudia Witzemann, „Principalin” bei A.T. Kearney empfiehlt uns offensichtlich, der Gefährdung mit vorauseilender Selbstaufgabe zu entkommen, und entwirft in der Aussendung folgendes Szenario: „Die Orte der Kultur sollen sich als Drehscheibe zwischen der Gesellschaft, Kulturinteressierten, Unternehmen und Einzelhandelsgeschäften etablieren”. Wir würden gerne davon ausgehen, dass dieser Satz irrtümlich aus einer Studie zu Belebung von Einkaufstraßen übernommen wurde, zeugt er doch von einem Verständnis, dem jeglicher Bezug für die „Kernkompetenz” von Kulturinstitutionen fehlt, ein Eindruck, der sich verfestigt, wenn in weiterer Folge nur „Innovationen” wie „Shops”, „Gastronomieangebote” und „Events” angeführt werden, gewissermaßen das Minimalprogramm aus der museumsberaterischen Mottenkiste. Kein Wort wird etwa darüber verloren, dass „Best Practice” heute wohl eher niedrigschwellige Zugänglichkeit, avancierte Vermittlungsprogramme und gelebte interkulturelle Kompetenz sein könnte. Neben dem naiv-belehrenden Ton des Pressepapiers, in dem Banalitäten als „innovative Konzepte” verkündet werden („Durch publikumswirksame Sonderausstellungen können Museen ihre Besucherzahlen und damit auch ihre Bekanntheit deutlich steigern.”), fällt auch die wenig sorgfältige Form der Präsentation der Studienergebnisse auf, die im Top-Kulturbereich ein Kündigungsgrund für die dafür Verantwortlichen wäre: Unter verzerrten – eilig aus Museumswebsites herauskopierten – Fotos ohne Credits und Screen-Shots aus den Veranstaltungsprogrammen stehen Sätze wie „Der Members Room ist sowohl begehrtes Ziel als auch Mittel zur Kundenbindung.” oder Überschriften mit tollen Erkenntnissen wie: „Moderne Museen entwickeln sich zunehmend zum Veranstalter von Kulturevents”. Nun ist A.T. Kearney mit 2.500 MitarbeiterInnen kein Grafikbüro, doch führt die visuelle Schlampigkeit den professionellen Beobachter punktgenau zu anderen Unschärfen, die – mit den Ressourcen des Einmannbetriebs – hier nur angerissen werden können: Die Quellenverweise sind kursorisch und erschweren den Nachvollzug, wie etwa zur Schrumpfung der MuseumsbesucherInnen im Museumsquartier von 1,4 Millionen BesucherInnen (Seite 6) auf 1,1 Millionen (Seite 27). Eine Stichprobe zur TATE: Deren Eigenfinanzierungsgrad wird mit 73 % sogar um 11 Prozent höher angesetzt als von der TATE selbst, die in ihrem eigenen Jahresbericht von 62% spricht, da sie die dem Museum geschenkte Kunst und andere Einnahmen im Zusammenhang mit Investitionen nicht als „Self Generated Income” ausweist, weil diese Werte im Jahresvergleich zu hohen Schwankungen unterworfen wären. Dies bestätigt übrigens Alex Beard, TATE Vizedirektor, in einem Telefonat den „causeries du lundi”. Ungenau ist es auch, wenn durch die Systematik der Eindruck erweckt wird, dass sich in der „Eigenfinanzierung” keine Förderungen bzw. keine öffentlichen Mittel befänden (2). Für die TATE bestätigt Beard, dass etwa auch die Position „Other Voluntary Income” öffentliche Gelder in Form sogenannter „Public Sector Grants” enthält, dies jedoch 2009 nur in geringem Umfang. Die Studie endet mit der Empfehlung einer simplen Finanzierungsmatrix von „Öffentliche Mittel” (10% bis 20%) „Kulturkonsument” (50% bis 60%) und „Unternehmen” (20% bis 30%) und erweist sich dadurch sogar über jenes System als nur teilinformiert, das sie scheinbar am höchsten schätzt: Gerade in den gelobten USA machen nicht „Unternehmen” den Großteil der privaten Zusatzgelder für die Kultur aus, sondern Spenden, Stiftungszuwendungen, Vermächtnisse und viele andere „Donations”, kurz alles, was unter „Philanthropy” geführt werden kann, und bei A.T. Kearney schlichtweg nicht existiert. (3) Natürlich wäre es leichter, nur die Prämisse zu attackieren, derzufolge, das „richtig machen” im Titel bedeutet, der öffentlichen Hand möglichst wenig zu kosten, eine Prämisse, nach der offensichtlich die „Betreiber” des Burggartens in Wien alles „falsch” machen. doch ist der Kulturbetrieb gut beraten, der Diskussion zu seiner finanziellen Zukunft nicht auszuweichen. Der Vergleich von Kennzahlen und die Identifizierung von Einnahmepotenzialen sind keine Tabus. Doch es entwertet die Diskussion, wenn sie auf der Basis einer Studie geführt werden soll, die weder publiziert wird, deren Zahlen und Terminologie nach kurzer Prüfung leicht „schwimmen”, deren strategische „Vision” wohl an der Shopping-City-Süd geschult wurde und daher wenig geeignet erscheint, einen hochqualifizierten Sektor wie den Kulturbereich zu beraten.
Mehr Texte von Martin Fritz

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1 Posting in diesem Forum
Aus der Mottenkiste
Irina Kubadinow | 07.09.2010 08:57 | antworten
Und diese jährlich aufgewärmten "Studien" schaffen es leider auch regelmäßig unkommentiert in die österreichischen Tageszeitungen ...

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