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Zum zweiten Mal: Pariser Programm in Berliner Galerien

Galerie week-end im Berliner Winter. Nein, dies ist kein Tippfehler, sondern Französisch. Denn genau so – wie eine kleinere, französische Variante des inzwischen etablierten Berliner Gallery Weekends – erschien das Eröffnungswochenende des unter dem Titel Berlin-Paris firmierenden Galerientauschs. Wie sonst im Mai waren (hier: französische) Sammler angereist, wie im Mai herrschte Event-Stimmung und man versuchte, möglichst viele der gleichzeitig eröffnenden Galerien zu besuchen und den momentan noch ungeräumten Straßen zu trotzen. Im vergangenen Jahr auf Initiative der französischen Botschaft erstmalig organisiert, ist der Austausch von 23 auf 27 Galerien angewachsen, von denen zehn bereits 2009 teilnahmen. Zu den Neuzugängen zählt etwa die Galerie neugerriemschneider, die für drei Wochen kamel mennour seine Räume leiht und dadurch wie verwandelt erscheint. Gezeigt werden hier Arbeiten des idealistischen Architekten Yona Friedman, der Dach und Fassade der charakteristischen Berliner Fabrikarchitektur eine zweite Haut aus Hasendraht überzog. „Ich fand ihn traurig, also habe ich ihn verkleidet“, sagte der in Paris lebende Ungar über den backsteinernen Schornstein, den er mit Aluminiumdraht und bunten, mit fantastischen Schriftzeichen überzogenen Fahnen umhüllt hat. Damit wird jener zu einem Beispiel für die improvisierten, utopistischen Architekturentwürfe des 86-Jährigen, die im Ausstellungsraum durch Fotocollagen und zeichnerischen Studien zur Berliner Innenstadt repräsentiert werden. Die Wechselwirkung mit dem Raum ist auch eine Konstante in der Präsentation dreier Positionen der Galerie Balice Hertling im Kreuzberger Ableger MD 72 der Galerie Neu: Drei raumgreifende Installationen scheinen in die Repräsentationszimmer mit Zuckergussstuckatur passgenau eingeschrieben, was keinen Außenblick zulässt, sondern nur das direkte Interagieren mit den konzeptuell-analytischen Arbeiten von Falke Pisano, Luca Frei sowie Isabelle Cornaro. Was man derzeit in 13 Berliner Galerieräumen zu sehen bekommt, bricht nicht selten die hiesigen Sehgewohnheiten auf, da sich einige der Galerien einen französischen Partner gesucht haben, dessen Programm sich deutlich von dem eigenen abhebt. So sind etwa bei Johann König, und damit erstmals in Berlin überhaupt, 50er-Jahre-Möbel des französischen Designers Mathieu Matégot zu sehen, der in deutscher Gefangenschaft perforiertes Metallblech kennen lernte und es zu seinem Markenzeichen machte: Aus dem „rigitulle“ getauften Lochblech formte er Stühle, Tische und Lampen, die er zuweilen mit eigens entwickelten Maschinen Lampion-artig auffächterte. Auch die Galerie 1900-2000 transformiert die Räume von Mehdi Chouakri wie schon vergangenes Jahr in einen Ort für die Moderne und zeigt Arbeiten aus allen Werkphasen von Francis Picabia. Kaum erkennbar ist der Austausch dagegen bei Gregor Podnar, der sich mit schleicher+lange aufgrund programmatischer Parallelen für eine gemeinsam kuratierte Doppelausstellung entschieden hat, bei der der jeweilige Gast allerdings den größeren Teil der Künstler stellt. Unter dem Titel „Ellipse/Eclipse Part I“ hinterfragen fünf Künstler unsere begrenzte, aber durch Instrumentarien steigerbare Wahrnehmung, weisen auf Techniken der Simulation hin und scheinen diese dennoch zu feiern, experimentieren mit Perspektiven und Dimensionen und widmen sich räumlichen und zeitlichen Zwischenräumen. Ebenfalls sehenswert ist die Gruppenausstellung „Black and light“ der bereits seit 1944 bestehenden Galerie Denise René, die einen Querschnitt durch das von konstruktiver, konkreter und kinetischer Kunst geprägte Galerieprogramm bildet und damit etwa eine Arbeit von Victor Vasarely in die junge Galerie sommer & kohl bringt, deren Künstler in der Pariser Galerie zum Teil ihre Vorbilder wieder finden. Die Ausstellungen in den teilnehmenden Galerien dauern zwischen einer und acht Wochen und bieten den Galeristen die Möglichkeit, ihre Künstler unabhängig von einer Messe einem neuen Publikum vorzustellen. Der Idee nach sollen zwar möglichst französische Künstler unterstützt werden, bei dem public-privat-partnership ist es jedoch den Galerien überlassen, welche Künstler sie den deutschen Kunstinteressierten präsentieren. Ab dem 29. Januar werden die deutschen Galerien die Räume ihrer Pariser Kollegen bespielen. Öffnungszeiten und Adressen unter: www.berlin-paris.fr
Mehr Texte von Conny Becker

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