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DigitalMaterial Luzern: Das Spiel mit der Imagination

19 mediale Arbeiten von Lehrenden, Studierenden und AbsolventInnen der Hochschule Luzern sind derzeit im Freiraum des quartier21 im Wiener Museumsquartier zu sehen. Die Beschreibung der Arbeiten im Katalog unterscheidet sich dabei von der persönlichen Rezeption vor Ort. So soll das Publikum in der Arbeit “Wallpaper - kicking against the pricks” (2009) von Tatjana Marusic das Prinzip des Work-Out erfahren. Im Video ist eine nackte Frau zu sehen, die sich zunächst kaum bewegt, nur um dann von einem Moment zum nächsten so weit aus sich herauszugehen, dass sie sich sprichwörtlich verdoppelt. Zuletzt vollzieht sich ein ebenso eindeutiger wie kraftvoller Liebesakt, den die Protagonistin mit sich selbst erlebt. Das Erstaunliche ist, dass sie dazu kein einziges Mal Hand an sich zu legen hat, denn der dynamische Schnitt steuert die Figur, wie auch die Betrachtenden präzise zum Finale. Das auf zwei Matratzen projizierte (und davor schon gedrehte) Video führt zu Unschärfen, die den Gegenstand aber in keiner Weise trüben. Als zweite besonders gelungene Arbeit kann “Lethe (griech. Unterweltsfluss, Vergessenheitstrank)” (2008) von Anna-Sabine Zürrer betrachtet werden. Die Künstlerin verwendet gefundene Fotografien, die sie in einem fotografischen Bildentwicklungsprozess wieder verschwinden lässt. Das Publikum kann diesen Prozess über das am Boden laufende Video nachvollziehen. An der Wand sind schließlich jene Fotografien zu sehen, die nicht mehr existieren, aber immer noch auf ihren Ursprung verweisen. Parallel entsteht durch die Spiegelung des Lichts im Wasserkrug ein diffuses neues Bild über den leeren Rahmen; eine sehr poetische Auseinandersetzung mit Erinnern und Vergessen. Vom Zusammenspiel von Bild und Klang ist vor allem die Arbeit “Mega Buster - Kriegsgebiet Kinderzimmer” (2006/2009) des Duos Interpixel interessant. Kinder spielen mit Spielzeugwaffen. Sie werden in gedehnter Zeit aufgenommen und mit Originalsound aus Werbetrailern für Computerspiele aufgeheizt und damit beinahe authentisch. Die Audioarbeit "The Cement Garden" (2010) von Simone Dubler führt im Gegenteil zu einem kontemplativen Hörraum, der aus einer abgeschotteten und nur schwach beleuchteten Kredenz tönt. Formal nutzt die Arbeit "Hier aktuell" (2008/09/10) von Brigitte Dätwyler die neuesten Technologien. Fünf strahlende I-Macs werden von außen wie von innen mit gnomenhaften Figuren besetzt. Außen bilden sie eine Gruppe, innen verschieben sie sich als internetbasierte Nachrichten von einem Monitor zum nächsten. Auch Stephan Athanas verteilt einzelne Bilder auf mehrere Rahmen. Seine Arbeit "Fatamorgana - Kulturbrücke Orient - Okzident (2010) reagiert darüber hinaus sensibel auf Passierende des Durchgangs außerhalb der Ausstellungshalle. Charles Moser bringt mit "Parmigianino nello spazio libero" (2009) einen historischen Bezug und lässt den Künstler zum Wächter der Ausstellung werden. Parallel drängen sich Zitate der Medienkunstgeschichte auf. So erinnert die Arbeit “Wasser Porträt” (2009) von Prisca Wüst und Sarah Bühler - ohne einer interaktiven Komponente - an “Liquid Views” (1992/93) von Monika Fleischmann und Wolfgang Strauss und die Performance “Genesis und der Toaster” (2009/2010) von Silvia Isenschmidt nimmt Anleihen bei Valie Export. Auffällig ist auch, wie gern über etwas projiziert wird (Olga Titus: Our House, 2009 | Lia Kraus und Marlene Hellmann: Süsser! Härter!, 2009 | frölicher und bietenhader: BAROCK N ROLL, 2010). In eben diesen Referenzen und auch der Ähnlichkeit mancher Verfahren lassen sich am ehesten die Arbeiten der Studierenden von jenen der Lehrenden unterscheiden. DigitalMaterial Luzern ist ein gelungenes Beispiel für Medienkunst, die als Mixed Media Eingang in den Kanon der bildenden Kunst finden kann. Die einzelnen Arbeiten sind schlüssig im Raum inszeniert und das Durchwandern wird zum Erfahren unterschiedlicher Thematiken und Positionen. DigitalMaterial Luzern ist bereits die dritte internationale Ausstellung im Freiraum, die in einer Kooperation des Museumsquartiers mit dem Aussenministerium entwickelt wurde. Als Rahmenprogramm zeigt Franziska Lingg am 25.2.2010 um 19:00 ihre Performance “En plein air...” und anschließend diskutiert um 20:15 die Medienwissenschaftlerin Cecilia Hausheer mit dem Publikum.
Mehr Texte von Ursula Hentschläger

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DigitalMaterial Luzern
12.02 - 21.03.2010

MQ Freiraum
1070 Wien, Museumsplatz 1
https://www.mqw.at/mqfreiraum
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h


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