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Strike A Pose

Damit aus Kleidern Mode wird, bedarf es der Injektion von einer Prise Zeitgeist. Dies lässt sich über verschiedene Umwege bewerkstelligen, erfordert jedoch stets mediale Hilfe. Seit ein paar Jahrzehnten ist in dieser Hinsicht die Allianz zwischen Mode und Fotografie beschlossene Sache. Die Illustration dümpelt als Exotin in avantgardistischer Bedeutungslosigkeit, während das relativ junge Genre des Fashion Film sich noch zu etablieren hat. Konsequenterweise werden also Mode und Fotografie oft in einem Atemzug genannt, etwa auf einer der weltweit bedeutendsten Veranstaltungen für aufstrebende Talente, dem "festival de la mode et de la photographie" in Hyères. Seit 22 Jahren widmet man sich dort fördernder¬weise der Modeavantgarde, seit 10 Jahren kommen auch Fotografen zum Zuge. Zweifellos stand das Modell auch für das Wiener "festival for fashion & photography" (in seiner Urform übrigens als "festival for fashion, music & photography" konzipiert) Pate. Gleichwohl gab sich die Leistungsschau des "9festival" in punkto Fototalentförderung ein wenig zurückhaltend. Allein der von Unit F verliehene Editorialpreis stellte einen Akzent in diese Richtung dar: Helga Traxler wurde für eine komplett modelose Strecke ausgezeichnet, was im gegebenen Rahmen einigermaßen erstaunen mochte. Zwar wies die Jury auf den Aspekt der Integrierbarkeit von Mode in Traxlers "When I Was a Child" hin und erwies sich offenbar der Einfluss der kunstsinnigen Jurorin Elfie Semotan (Kocherscheidt- und Kippenberger-Witwe immerhin) als von größtem Gewicht, doch darf das Argument der Modeintegrierbarkeit ein wenig angezweifelt werden: Immerhin hätten sich Bechersche Industrieszenarios bestimmt auch recht hübsch mit Pierre Cardin-Modellen besiedeln lassen. Für Erstaunen sorgte noch ein weiterer Festivalbeitrag: Das dezidiert "internationale" Magazin flair Österreich richtete eine Ausstellung im Wittgenstein¬haus unter Beteiligung ausschließlich österreichischer Fotografen aus. Für das Juniheft hatte man erstmals die heimische Szene für Editorials herangezogen und erwirkte gar die Entstaubung von Rudi Molaceks modeaffinem Objektiv. Am gelungensten war wohl der Beitrag von Peter Garmusch, der den steirischen Erzberg in eine stilsicheren Schrittes durchmessene Mondlandschaft verwandelte. Dass der Konnex zwischen Printmagazinen und Modefotografie ein intrinsischer ist, belegten auch zwei andere Ausstellungen: Der europaweite Trashtitel Vice pferchte in einen selbst verantworteten Pop-Up-Store in Kooperation mit der Berliner Pool Galerie Peter Bestes Bilderserie "True Norwegian Black Metal" und blieb damit der Erwartungshaltung seiner wilden Fangemeinde treu. Auch das italienische Kunst-Modeformat Drome war auf Einladung des 9festival angereist und kuratierte für das MAK eine Ausstellung mit Arbeiten von Angelo Cricchi: "Gloomy Sunday" sind imaginär-atmosphärische Inszenierungen berühmter Selbstmörderinnen wie Jean Seberg, Capucine oder Sylvia Plath (in deren Familie es eine gar schauerliche Anhäufung von Suiziden gibt). Das Konzept Cricchis war vielleicht einen Deut stärker als die fotografische Umsetzung, für ein Kunst-Modemagazin reicht es aber allemal. Bloß in der Säulenhalle des MAK baumelten die Großformate ein wenig verloren. Damit ist aber auch die Crux der Kontextualisierbarkeit von Modefotografie jenseits von Plakatwänden und Magazinen angesprochen. Zwar laboriert man immer wieder an der Nobilitierung des Genres (in Berlin hat gerade wieder eine "Galerie für Modefotografie" aufgemacht, in Miami findet parallel zur Art Basel Miami die "In Fashion Photo" als Verkaufsplattform von signierten Unikaten statt), allerdings geriert sich die Angelegenheit auratisch schwierig. Schließlich will Modefotografie in erster Linie nicht sich selbst, sondern etwas Anderes verkaufen. Aus diesem Kreislauf zu entkommen scheint schwierig. Vielleicht sind tatsächlich hybride Formate wie Drome oder das unlängst in New York gelaunchte TAR Magazine mit exklusivem Damien Hirst-Cover in der aktuellen Ausgabe die geeignetste Plattform für ambitionierte Modefotografie. Denkbar wären zur Freude der Anzeigenabteilungen Modestrecken wohl auch in immer stärker Lifestyle-durwachsenen Kunstzeitschriften wie Monopol oder Spike. Abgesehen davon ließe sich inmitten der anhaltenden Diskussion über die schwindende Bedeutung von Print- gegenüber Onlinemedien die Frage aufwerfen, ob nicht kurze Modefilme sich als reibungslos in Webzines integrierbare Alternative zu herkömmlichen Editorials erweisen werden. Was in weiterer Folge bestimmt das eine oder andere "festival for fashion, film & photography" auf den Plan riefe. www.9festival.at
Mehr Texte von Daniel Kalt

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