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... Berlin: Wer nicht dabei war, gehört nicht dazu

Wer nicht dabei war, gehört nicht dazu. Oder er hat einen überzeugenden Grund für das Fehlen. Wer dabei die Berlinale angibt, den wollen wir nicht erst nehmen, denn ein Film wird im Filmfestival mindestens dreimal wiederholt. Tatsächlich aber gibt das sogenannte Forum expanded selbst dem bornierten Kunstfreund Anlass die Berlinale zu besuchen. Aber wir schweifen ab, ohne vorher zum Punkt zu kommen. Schon zwei Wochen vor dem Ereignis bekam der Interessierte eine Email, die darauf verwies, dass Liam Gillick seine Arbeit im deutschen Pavillon auf der diesjährigen Biennale in Venedig vorstellen werde. Und kurz danach ging schon die Rede um, Gillick werde auf einen Architekturentwurf des Documenta -Gründers Arnold Bode zurückgreifen. „Sein Vortrag kann als eine Suche nach der kulturellen DNA gesehen werden, die künstlerische und sozio-ökonomische Phänomene möglicherweise gemeinsam haben, und er wirft damit bereits im Vorfeld eine interessante Perspektive auf seine Herangehens- und Arbeitsweise, die für Venedig zu erwarten ist.“ Das machte neugierig, aber noch neugieriger machte einen das Erscheinen von Udo Kittelmann als neuer Chef der Nationalgalerie. Und es war sicherlich ein gelungener Schachzug von ihm, auf das Angebot eines Vortrags von Liam Gillick einzugehen, vorgebracht durch Nicolas Schaffhausen als dem zuständigen Kurator vor den deutschen Pavillon. So versammelten sich am 12. Februar die Haute Volée, auf berlinerisch ‚Haue Volaute’, der Berliner Kunst im Aktionsraum oberhalb des Cafés von Sarah Wiener (die immer noch in der ‚Verbesserung von Mitteleuropa’ praktisch ist, was der Vater Oswald Wiener literarisch vorgegeben hat) im Hamburger Bahnhof. Wer nicht rechtzeitig kam, musste stehen oder gehen. Selten wurden so viele Kunstfreunde in einem Raum gesehen und dennoch war die Stimmung heiter und gelassen. Diesmal kein Konkurrenzdruck, diesmal kein Generationskonflikt, diesmal kein Geschacher. Ja, Esther Schippers saß in der ersten Reihe, aber davor auf dem Boden saßen noch viele andere, selbst Nicola Kuhn vom ‚Tagespiegel’ , die erster später einen freien Stuhl fand. Kito Nedo lief herum und die anderen Kollegen standen im Hintergrund. Und die Generation der Babyboomer löste endlich im Hause die im Krieg Geborenen ab. Und es schien so als vollziehe sich der Generationswechsel coram publico. Die Fehlenden fehlten einfach nicht, weil sie nicht zur richtigen Generation gehörten. Und die Anwesenden waren an ihrem Platz zur rechten Zeit. Für die Verspätung im Vergleich zu anderen Institutionen waren sie nicht verantwortlich, hatten sie doch lange genug an das große Tor geschlagen, aber von innen kam keine Reaktion. Bis plötzlich sich ein Spalt auftat und man eintreten konnte. Und alle schienen an diesem Abend den Ruf gehört zu haben. Wobei eigentlich unentschieden blieb, wer denn nun bei der Veranstaltung der master of ceremony war, Nicolas Schaffhausen oder Udo Kittelmann. Aber jene Autorität, die sich nicht erst beweisen muss, ist wohl als Autorität anzuerkennen und das Bonmot traf dann wohl auf Udo Kittelmann zu. In einem Blog tauchte er auch als ‚Uns Udo’ auf, in Rekurs auf den Fußballer Uwe Seeler, der zu ‚Uns Uwe’ wurde. Nicolas Schaffhausen gab grundsätzliche Gedanken Preis und weniger Bedenken bezüglich seiner Einladung des Engländers ohne deutschen Pass für den deutschen Pavillon. Nach dem Vortrag sah ein Vertreter einer anderen Generation das allerdings mit durchaus gemischten Gefühlen und äußerte dies auch, wobei dem Autor dieser Zeilen nur die Replik einfiel, dass man seine Freunde nicht als Repräsentanten einer nationalen Identifikation verkaufen oder verramschen sollte. Der eigentliche Grund der Veranstaltung überraschte durch eine souveräne Präsentation, die Inhalt mit Esprit verband, bis zum Ausruf ‚I’m boring myself’. War das Schauspiel oder echte Bedrängung oder das Schauspiel einer Bedrängung? Egal, es war ein gelungener Abend, der durch Diedrich Diederichsen`s Vortrag noch Grund und Boden bekam und gleichzeitig eine Perspektive. Die Beiträge lassen sich dann im Katalog zur Ausstellung nachlesen. Ach ja, etwas Genaues weiß man nach diesem Abend auch nicht. Aber Kittelmann ist angekommen. Und hat schon ein Werk von Liam Gillick für die Nationalgalerie angeschafft neben etlichen anderen Positionen.
Mehr Texte von Thomas Wulffen †

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