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Sharp Chic – über die Anziehungskraft des Kristallinen: Facetten der Strasslosigkeit

Es ist, soviel vorab, kein einfaches Unterfangen, Mode im Weißen Kubus zu zeigen, ohne dass sich der Eindruck einer schnöden Kostümgeschichtsschau aufdrängt. Um dem zu entgehen, entscheiden sich die Kuratoren Angelika Höckner und Gerald Moser in Sharp Chic – über die Anziehungskraft des Kristallinen für den Ansatz, ausgesuchten Spielarten von Mode- und Schmuckdesign eine Art Kunst-Moodboard beizustellen. In allen gezeigten Arbeiten versinnbildlichen die scharf konturierten Formen und Flächen bzw. deren Negation das Kristalline als Instanz zwischen Sein und Schein oder – wie es der Titel der von Vitus Weh konzipierten, übergeordneten Ausstellungsreihe nahelegt – Glanz & Verderben. Entscheidend ist naturgemäß das Auffinden einer adäquaten Ausstellungsarchitektur: wie, wo und ob überhaupt das Kleidungsstück aus der Horizontalen lösen; es hängen, legen oder stellen? Höckner und Moser strukturieren den Freiraum durch die Anbringung einzelner Plattformen, die gleich den Facetten eines geschliffenen Minerals in unterschiedliche Richtungen geneigt sind und als sogenannte "Splitter-Schollen" die Präsentationsflächen für die Arbeiten von vier Mode- und zwei Schmuckdesignern darstellen. Der Rest ist – aus Modeperspektive – loses Beiwerk, das sich im Raum verteilt. Die Kunst als Accessoire, gewissermaßen: Neben einer skulpturalen De-/Remontage von Andrea Maria Krenn (Kristall und natürliches Wachstum), einem Paillettenbild von Sissi Farassat (Gleiß jenseits der Abendrobe) und anderem findet sich da, das Assoziationsspektrum von Spiegelung und Brechung auslotend, das 2006 in Cannes prämierte Video Kristall von Christoph Girardet und Matthias Müller: eine Sequenz kurzer Filmszenen mit Spiegel. Lacan ist amüsiert und lässt schön grüßen. Was den "Hauptteil" der Schau betrifft, so ist die Mitberücksichtigung von Schmuckdesign für die Kohärenz des Konzeptes nicht ungefährlich. Immerhin drohen sich da überbordende Schleusentore aufzutun. Wahrscheinlich werden die zwei ausgewählten Designer von den Kuratoren aber als uneigentliche Vertreter ihrer Zunft wahrgenommen: Florian Ladstätters Arbeit inszeniert man im Zeichen der Ambivalenz zwischen Fragilität und Massivität – eine Option, die sein Schmuck durchaus zulässt. Derweil geriert sich die Gathering Jewelry von Naoko Ogawa, welche sich biomorph auf das Textil setzt und dort durch den Gebrauch ihrer allmählichen Zerstörung zugeführt wird, als eine Absage an die Erwartungshaltung konstanter Wertschöpfung. Exponate von vier Modeexperimentalisten komplettieren das kristalline Gesamtbild. Der aktuelle Artist-in-Residence des quartier21 und Assistenzdesigner Walter van Beirendoncks, Andrea Cammarosano, steuert eine Kreation bei, in der das Kristalline augenzwinkernd einer Art Harnisch entwächst. Deutlich unwuchtiger sind die Arbeiten von Carolin Lerch/Pelican Avencue: sie bringt zitatweise das Spitze, das Mineralische als Motiv in Stoffprints ein. Schnitttechnisch umgesetzt wird die regelmäßige Molekularstruktur des Kristalls in der Diplomkollektion von Ali Zedwitz, die im Sommersemester 2008 von der Universität für Angewandte Kunst abging und den Rondo-Swarovski(!)-Modepreis gewann. Ihre Modelle stehen keineswegs isoliert in der Manège des Modezirkus, da ähnliche Konstruktionselemente von Fashion Darlings wie Nicolas Ghesquière/Balenciaga oder Gareth Pugh eingesetzt werden. Komplettiert wird der Designerreigen von der deutschen Jungdesignerin Miriam Lehle, zuletzt Finalistin des prestigereichen Festival international de mode & de photographie in Hyères. Lehles Kollektion Golden Decay spielt durch das flockende Abschmelzen metallisierender Kunststoffe mit der Verunstaltung glatter Oberflächen und schlägt gewissermaßen das Klischee von Glanz und Glamour mit seinen eigenen Waffen.
Mehr Texte von Daniel Kalt

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Sharp Chic – über die Anziehungskraft des Kristallinen
07.02 - 19.04.2009

MQ Freiraum
1070 Wien, Museumsplatz 1
https://www.mqw.at/mqfreiraum
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h


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