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Frieze Art Fair 2009: Vom Frust zum Fest im Zelt

London atmet auf. Nach der harten Landung im letzten Jahr hat der Kunstmarkt wieder Fahrt aufgenommen. War im unmittelbaren Umfeld der Lehman-Pleite die Angst förmlich zu riechen, herrscht jetzt sogar eher wieder Champagnerlaune im Zelt der Frieze. Mit der zumeist risikolosen Ware im mittleren fünf- bis niedrigen sechsstelligen Preisspektrum treffen die Aussteller offensichtlich den Geschmack der Kunden – die nach wie vor hauptsächlich vom Festland des Kontinents stammen. „Wir haben einige Sachen verkauft, auch größere“, erklärt etwa David Juda aus London: „Etwas für 80.000 Dollar, etwas für 15.000 Pfund“ zum Beispiel. In dieser Preiskategorie scheint nicht nur bei ihm starke Nachfrage zu herrschen. Bei Alison Jacques, ebenfalls aus London, verhält es ebenso. Werke von 15.000 Euro bis 45.000 Dollar wechselten bisher den Besitzer. Und Daniel Buchholz aus Köln freut sich über Umsätze, die schon am Eröffnungstag die Zahlen der gesamten Laufzeit im Vorjahr übertreffen. Eigentlich also alles wie immer. Der Direktor einer europäischen Konkurrenzveranstaltung meint, Stimmung und Umsätze wären vergleichbar mit der Ausgabe von 2005. Diesmal schwingt allerdings das Gefühl mit, noch einmal davongekommen zu sein. Zumindest bei denen, die dabei sind. Denn auf rund 30 Positionen hat es Veränderungen gegeben. Einige langjährige Teilnehmer haben ausgesetzt, weil ihnen die Aussichten für den Marktplatz London doch zu unsicher waren. Der Besucher profitiert davon sogar ein wenig, sind doch einige der Nachrücker jüngere Galerien, die sich ihre Sporen erst noch verdienen müssen und daher eher auf kuratierte Stände oder Einzelpräsentationen setzen statt auf Accrochagen. Dazu trägt auch die neue Soloshow-Sektion „Frame“ bei, die im hinteren Zelt untergebracht ist und beinahe wie eine Satellitenmesse wirkt – im positiven Sinne. Im Hauptfeld hat sich sogar Hauser & Wirth aus London und Zürich dieses Mal mit den Gemälden von Ida Applebroog einen Schwerpunkt gesetzt, auch wenn man sich nicht nur auf einen Namen verlassen will. Auf die gelungene Mischung des Angebots, die auf das Londoner Publikum abgestimmt ist, kommt es offensichtlich an. So hat André Sfeir-Semler aus Hamburg und Beirut hier wie immer gute Erfahrungen mit ihren Nahost-Künstlern gemacht, aber auch an die Tate verkauft und an eine private italienische Minimalismus-Sammlung. Bei Krinzinger aus Wien ist man froh, indische Künstler im Programm zu haben, deren Werke hier starken Absatz finden. Gleichwohl dürfte der Gesamtumsatz, der in der Frieze-Woche gemacht wird, deutlich zurückgegangen sein. Denn im Umfeld hat das große Messe-Sterben eingesetzt. Einzig die als Non Profit-Unternehmen geführte Zoo hat die Krise überlebt. Im etwas abgelegenen Stadtteil Shoreditch, der noch weitgehend der Gentrifizierung harrt, hat der auf nur gut zwei Dutzend Teilnehmer und einige Solo-Projekte und Editeure reduzierte Satellit in einem ehemaligen Lager-Areal pittoresk Quartier bezogen. Das Konzept der Messe scheint anzukommen. Britische Käufer stellen hier wieder einmal die Minderheit. Es sind vorwiegend europäische Kunden, darunter viele Schweizer, die sich von dem rumpeligen Charme und der Frische der zumeist seit höchstens fünf Jahren existierenden Galerien einfangen lassen. Daneben gibt es noch zwei Projekte, die in den Vorjahren wohl kaum möglich gewesen wären, weil sie in dem überdrehten Aufmerksamkeitswettbewerb die Investition nicht gelohnt hätten. Zum einen ist das „The Embassy“ von jungen Galeristen und Kuratoren um 20 Hoxton Square Projects und Zoom Art Projects, das einen fiktiven Staat in 33 Portland Place erstehen lässt. Das Gebäude beherbergte einmal die Botschaft von Sierra Leone, einem sogenannten Failed State. Und genau diesem Phänomen widmen sich die Arbeiten der 15 teilnehmenden Künstler. Von einer beklemmenden Montage martialischer Diktatoren-Gesten des Videokünstlers Marco Brambilla über ein Kapitol aus dem Lehm afrikanischer Hütten von Alastair Mackie bis zu einer theatralischen Botschafterauftritts-Performance werden Meditationen darüber angestellt, wie ein Staat eben nicht funktioniert. Nur wenige Gehminuten entfernt, an der Ecke zum Regents Park, macht gleichzeitig ein anderes Projekt in London Schlagzeilen. Ein handfestes Skandälchen löste in dem sonst eher glaubensfernen England die Ausstellung „The Age of the Marvellous“ in der aufgelassenen Holy Trinity Church aus. Dort hängt über dem Altar ein Schimpanse an einem Kreuz, ausgesprochen realistisch in der Darstellung und herrlich blasphemisch. Im Stile einer Wunderkammer werden rund 60 Kunstwerke präsentiert, von denen einige durch physikalische Effekte und Spielereien Staunen machen, andere wiederum eher leisere Töne anschlagen. Veranstalter dieser Schau ist All Visual Arts, nach eigenen Angaben Hybrid-Kunstunternehmen, zu dessen Mitgründern der CEO von BlueCrest Capital Management Mike Platt gehört. Ob sich mit solchen Unternehmen, die inhaltlich mitunter an die bunten Zeiten des ungebändigten Booms anknüpfen, tatsächlich langfristig Geld verdienen lässt, bleibt abzuwarten. Die Zeiten, als es gereicht hat, einfach noch mehr Stellwände in ein Zelt oder ein altes Indutrieareal zu ziehen und diese möglichst teuer zu vermieten, dürfen allerdings erst einmal vorbei sein, nicht nur in London.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Frieze Art Fair 2009
15 - 18.10.2009

Frieze Art Fair
NW1 4RY London, Regent`s Park
Tel: + 44 (0)20 7025 3970, Fax: +44 (0)20 7025 3971
Email: info@friezeartfair.com
http://www.friezeartfair.com


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