Werbung
,

(keine) Angst : Nicht wirklich fassbar

Die Angst geht um in dieser Zeit - wie große dunkle Schatten strahlt sie ihre Varianten aus, lässt hier und da ganz normale Tagesabläufe erlahmen und die Menschen individuell oder gar kollektiv in eine Bewusstseinsstarre versetzen. Die Liste der aktuellen Angstmacher und Bedrohungen wie Klimakatastrophe, Terrorismus, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftsverluste, Finanzkrisen, Hungernot ist lang und betrifft alle Menschen heute in der ganzen Welt. Angst ist insofern ein Phänomen, das alle kennen und im Grunde solidarisch teilen – würde Angst nicht auch zu Neid, Habgier und Missgunst führen, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Über Angst sind viele psychologische, soziologische und philosophische Bücher geschrieben worden, doch nun setzt sich eine Gruppenausstellung mit diesem Phänomen auseinander. International bekannte Künstler zeigen in unterschiedlichen Medien und Subthemen die Facetten der Angst – von globalen Katastrophen bis hin zu Angst vor Krankheit und Tod. Das ist per se ein großartiges Unternehmen, um ausgewählte visuellen Vorstellungen von und aktuelle künstlerische Auseinandersetzungen zu diesem Thema zu zeigen, das schon eine jahrhundertelange Tradition in der Kunstgeschichte hat. Diese Ausstellung reflektiert zugleich, wie sehr sich heute die real existenten Angstzustände und Gefühle mit den Bildern der Massenmedien verbinden bzw., wie ein individuell erfahrener Angstzustand durch global ausgestrahlte Medienbilder erzeugt wird und Angst damit auch zu einem kollektiven Gefühl wird. Christoph Draeger präsentiert seine aus den Medien entnommenen Katastrophenfotos von Hurrikanverwüstungen auf Puzzlebildern, die die Fragilität des fürchterlichen Augenblicks zum Ausdruck bringen. Thomas Ruffs großformatige Fotoarbeit „jpeg ny15“ zeigt in Luftaufnahme die aufsteigenden Rauchwolken des zerstörten World Trade Centers in Manhattan am 11.9.2001. Das Blau des Meeres im Hintergrund und die aufsteigende Rauchschwade wirkt jedoch ästhetisierend, begünstigt durch die starke Pixelauflösung des Internetbildes. Adam Thompsons kleine, arg demolierte Weltkugel auf dem Boden, deren innerer Hohlraum mit tiefschwarzem Pigment ausstaffiert wurde, trifft vielleicht das weltumfassende Angstphänomen vom Untergang der Erde am ehesten, steht doch der Betrachter in seiner Körpergröße auch physisch dem bereits kaputten Globus noch immer überlegen davor wie ein Fußballspieler vor dem Ball. Doch es ist gerade der Mensch, der die Erde zerstört und nun Angst vor seinem eigenen Untergang hat. Leider ist die Auswahl der einzelnen Werke thematisch zu breit gefächert und deren Präsentation in der großen offenen Ausstellungshalle des Kunstvereins ohne Zwischenwände oder Nischen nicht optimal – es ist ein Ort, der keine intime Atmosphäre und Rückzugsmöglichkeit bietet, um sich von den Visionen der Angst wirklich berühren lassen zu können. So werden die Arbeiten schnell zu Belegexemplaren jener verschiedenartiger Ausgangslagen für das Angstgefühl. Einzig der 3 x 3 Meter große gläserne, begehbare Kubus von Markus Keibel versucht, dem entgegenzugehen. Die Wände sind von außen mit schwarzem Rauch und wolkenartigem Duktus bemalt und darin sind handschriftlich Thesen zum Thema Angst eingeschrieben, die der Künstler mit Jugendlichen im Vorfeld der Ausstellung erarbeitet hat.
Mehr Texte von Ulrike Lehmann

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

(keine) Angst
12.09 - 02.11.2008

Kunstverein Ludwigshafen - ZOOM
67071 Ludwigshafen, Im Zollhof 4
Tel: +49 621/528055, Fax: +49 621/5820550
http://www.kunstverein-ludwigshafen.de
Öffnungszeiten: Di - Fr 12:00 - 18:00, Sa, So 11:00 - 18:00


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: