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abc art berlin contemporary: K u n s t oder M e s s e

Die neue abc Art Berlin Contemporary buchstabiert weder die Kunst neu noch das Format einer Messe. Dennoch ist ihre erste Präsentation wohl gelungen. Auf den ersten Blick vermutet man hinter dem Titel im Angesicht der Ausstellung keine Messe. Dieser Eindruck ist eine Täuschung, denn hinter dem Projekt stehen 44 Galerien (in Buchstaben vierundvierzig), aber deren Präsenz wird nur vermittelt deutlich: Einerseits in einer Art Zeitung, die dem unbefangenen aber wissbegierigen Besucher Informationen zu den einzelnen Werken in die Hand gibt und andererseits durch das gemeinsame Eröffnungswochenende. Die Erfahrung lehrte, dass vor allem die Galerienwochenden zum Publikumsrenner wurden. Ariane Beyn, Kuratorin der abc, schreibt in einem Text für die erwähnte Zeitung: „Bemerkenswert ist auch das aufgeschlossene, oft junge und zahlreiche Kunstpublikum Berlins, das sich seit einigen Jahren nicht mehr ausschliesslich aus Professionellen zusammensetzt, sondern weit über den Horizont der ‚Szene’ hinausreicht.“ Die abc ist dabei als Erweiterung der Perspektive angesetzt, weil sie an einem fixen Ort Vergleiche und Konfrontationen ermöglicht. Im Mittelpunkt der Präsentation steht dabei Skulptur, Installation und projizierte Bilder. Beispielhaft ist dafür eine Installation von Fiete Stolte von der Galerie Sassa Trüzlsch. Angelockt von einer langen, leuchtenden Neonröhre sieht sich der Betrachter am Ende einem Monitor gegenüber, auf dem er sich selber von oben sieht. Das Fernsehbild, das er sieht, dreht jede Sekunde um zwei Grad nach rechts, wobei die erwähnte Neonröhre zum Sekundenzeiger wird. Neben der jungen Künstlerin präsentiert sich aber auch ein Altmeister wie Carl Andre mit der SkulpturThrones aus dem Jahre 1978, dreißig Jahre nach Entstehen (Konrad Fischer Galerie). Wer sich in die Erläuterungen versenkt, wird dann auch weitere Referenzen wahrnehmen können, wie bei einer Arbeit von Sylvie Fleury, deren Titel lautet Walking on Carl Andre (Galerie Mehdi Chouakri). Und passend scheint auch die Arbeit Capitalism kills des Künstlerkollektivs Claire Fontaine (Galerie neu). Und selbst genuine Maler wie Daniel Richter oder Matthias Schaufler haben für die Ausstellungsmesse, um eine andere Bezeichnung für derartige Unternehmen in die Welt zu stellen, ihr eigentliches Metier aufgegeben und installativ gearbeitet. Es gibt in dieser Ausstellung gelungene Bereiche und weniger gelungene. Der Raum, ein ehemaliger Postbahnhof, bietet Möglichkeiten, aber er kann sich auch in den Vordergrund drängen. Insofern hofft man als Besucher auf eine Fortsetzung in den kommenden Jahren. Dass dafür das Konzept nicht ausreicht, ist aber auch jetzt schon zu erahnen. Die Definition über das mediale Momentum ist auf die Dauer nicht ausreichend. Letztendlich steht am Ende das Geschäft, so oder so. Dennoch ist das Unternehmen für den Kunststandort Berlin von besonderer Bedeutung. Festzustellen ist auf jeden Fall, dass die Kunstlandschaft Berlin an einer Schwäche auf der institutionellen Ebene leidet. Dadurch kann sie nicht zum Korrektiv des Marktes hier werden, was einer ihrer Aufgaben wäre. Wenn eine Messe wie abc selbst schon als institutionelle Verlängerung einer Kunsthalle auftritt, dann findet sich der institutionelle Sektor auf einem Rückzug, der dem Markt am Ende alles zugestehen muss. Aber schließlich ist das auch nur ein weiteres Zeichen für eine Entwicklung, die dem Markt alles gibt, weil dem Staat die Mittel zur Korrektur fehlen oder fehlen wollen. So muss und kann der Markt in die Bresche springen. Nächstes Jahr findet die abc zeitgleich zur Messe statt. Wird dann die Messe ihre eigene Kunstschau absagen, dieses Jahr kuratiet von Hans-Jürgen Hafner, oder wird abc zu def? Was sich dahinter dann verbirgt, wird im nächsten Frühjahr verraten.
Mehr Texte von Thomas Wulffen †

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abc art berlin contemporary
05 - 07.09.2008

Postbahnhof am Gleisdreieck
10963 Berlin, Luckenwalderstrasse 4–6 U-Bahn-Station: Gleisdreieck
http://www.artberlincontemporary.com/
Öffnungszeiten: 10–20 Uhr


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