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Berlin am Ende

Ja, sie hat wirklich diesen Urlaub verdient, die Stadt. Vergangenen Sonntag schloss die ungeliebte Berlin Biennale mit der Nummer 5 ihre Pforten, nicht ohne eine Party im Hof der Kunst-Werke. Und die Bilanz kann sich sehen lassen: 10 000 Besucher in einem Zeitraum von zwei Monaten. Demnächst also wird man wieder unbelästigt von so genannter zeitgenössischer Kunst den Kunsttempel von Mies van der Rohe besichtigen können, die so genannte Neue Nationalgalerie. Der Skulpturenpark wird wieder den eigentlichen Organisatoren überlassen und wir erwarten ein spannendes Programm. Hinter den Kulissen wird schon an der Ausgabe 6 der Berlin Biennale gearbeitet, aber die zuständigen Kuratoren sind noch nicht der Öffentlichkeit bekannt gegeben worden. Diese Biennale wird dann zwanzig zehn stattfinden. Das verleitet zur Vermutung, es handele sich um eine Ausstellung mit zwanzig Künstlern an zehn Orten. Oder war es anders herum? Das ist die Arithmetik der temporären Kunsthalle schon einfacher. Zu Grundsteinlegung war auch die österreichische Fraktion des Unternehmens angereist in Form von Gerald Matt und Adolf Krischanitz, der Architekt der Hülle zur Fülle. Pläne zur Hülle gibt es jetzt auch schon in der Öffentlichkeit und die sind schön und einfach. Selbst der Regierende ließ es sich nicht nehmen, vor Ort den Spaten in märkischen Sand zu setzen. Dass er dann auch noch eine Bestandsgarantie für die Kunsthalle abgab, ging leider unter. Oder habe ich die Jubelchöre nicht wahrgenommen? Und irgendwie fiel dann einem die ersten Zeilen der Nationalhymne der DDR ein: Auferstanden aus Ruinen Und der Zukunft zugewandt, Lass uns dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland. Berlin wäre nicht Berlin, gäbe es zu der so genannten Temporären Kunsthalle nicht auch ein Gegenentwurf, der schon steht, aber noch vom Blumengroßhandel genutzt wird. Unter dem blödsinnigen Titel ‚Kunstinvasion’ wurde im Szenebezirk Kreuzberg eine Ausstellung junger Kunst in Szene gesetzt, die neben wenigen Lichtblicke doch einem eher die Tränen in die Augen trieb. Die Eröffnung war sicherlich proppenvoll, was sich an darauf folgenden Sonntag an wenigen Kunstwerken nachvollziehen ließ. Aber der Briefschreiber wollte in diesem Fall seiner Honneurs nicht zur Eröffnung abgeben, weil er das unprofessionelle Juryverfahren nicht mehr akzeptieren konnte und seine Jurytätigkeit am Tag der Sitzung beendete. Hinter dieser Idee der Kunsthalle steckt auch der Hans Dampf in allen Gassen Christoph Tannert, der als Leiter des Künstlerhauses Bethanien leider keine überzeugende Figur macht. Dampf ist ja auch nur eine bestimmte Form heißer Luft. Da hat man die Welt der Kunst unter einem Dach und kann diese Tatsache nicht dem Rest der Welt verklickern. Wenn das noch nicht einmal gelingt, dann ist der anderen Kunsthalle auch kein Erfolg zu sichern. Aber es ist gibt in Berlin jetzt einen Rückzugsort, der seinen konkreten Anlass hat: Kino als Kunst als Kino. In der DAAD-Galerie zeigt Friedrich Meschede den Film Zidane: Ein Porträt des 21. Jahrhunderts. Dreiundneunzig Minuten Zidane pur und Fußball pur, die Dauer eines Fußballmatchs inklusive Verlängerung. Ein Werk von Douglas Gordon und Philipp Parreno. Douglas zieht von New York nach Berlin, weil Nachwuchs erwartet wird. Jetzt warten alle anderen auf den ‚Nachwuchs’ für die Staatliche Museum in der Person von Udo Kittelmann. Marius Babias, der neue Direktor des Neuen Berliner Kunstvereins, eröffnet Anfang Juli seine erste eigene Ausstellung in den Räumen der Chausseestrasse mit einer Ausstellung von Silke Wagner. Die ist verantwortlich für den vom Che propagierten Umbau der Räume. Wer allerdings Hacke, Schaufel und Presslufthammer erwartet hatte, wird enttäuscht werden. Die Künstlerin setzt bloß eine spezifische Struktur in die Räume und das war’s. Dass sie sich darüber hinaus mit Plagiatsvorwürfen konfrontiert sieht, macht diesen Neubeginn zu einem Fehlstart. Also warten wir auf die Premiere von Dr. Thomas Köhler, ehemals Kunstmuseum Wolfsburg, an der Berlinischen Galerie. Es kann nur besser werden: Berlin am Anfang.
Mehr Texte von Thomas Wulffen †

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