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Betrifft: Israel. Aktuelle Fotografie und Videokunst: Dichotomien des israelischen Alltagslebens

Wie konstituiert sich Alltagsleben in Bildern eines gespaltenen Landes, in welchem Angst statt Hoffnung floriert, wo Gefahr zur Normalität geraten ist, wo dem Ankommen die Vertreibung vorausgeht? Als Teil einer Serie des Jewish Museum übernahm das Berliner Jüdische Museum anlässlich des 60. Jahrestages der Staatsgründung Israels die Ausstellung "Dateline Israel. New Photography and Video Art". Die drei vorangegangenen New Yorker Ausstellungen widmeten sich retrospektiv der neuen israelischen (Heimat-)Kultur seit 1920, dem Fehlen einer klaren Identität inmitten von Bildern der Gewalt während der 1980er sowie dem täglichen Überlebenskampf nach Yitzhak Rabins Ermordung in den 1990ern. In der aktuellen Ausstellung versammelt die Kuratorin Susan Tumarkin Goodman neben israelischen Künstlern wie Barry Frydlender, Leora Laor und Rineke Dijkstra auch den Blick von Europäern auf Israel, darunter Wim Wenders, Wolfgang Tillmans und Mark Wallinger. Mittels Fotografie, Film und Video thematisieren die KünstlerInnen zwischen externer und interner Sicht, dass die Gewalt im israelischen Alltagsleben nicht nur das Land selbst betrifft, sondern nach dem Scheitern des Osloer Friedensprozesses den Zusammenhang zwischen Lokalpolitik und globaler Gegenwart exemplifiziert. Während der Fotojournalismus von Pavel Wolberg, Gillian Laub und Rina Castelnuovo die vermeintlich dokumentarische wie emotionslos distanzierte Beweisfunktion des Jetzt formuliert, verweist Yael Bartana auf ohnmachtsauslösende Facetten eines Alltags, in welchem Politik und Gewalt das tägliche Leben durchdringen. Ihre Video- und Klangarbeit "Trembling Time" verunsichert, wenn der scheinbar festgefrorene Moment der nationalen Gedenkminuten anlässlich von ‚Joma haZikaron’ zu einem Schwarm von Autos mutiert, deren rote Rücklichter verstörend die Leinwand herunter taumeln. Die in Amsterdam lebende Israelin lässt die Autos nicht verharren, während das Land zwei Minuten lang verordnete Einheit demonstriert, sondern verlängert mit Blick von einer Brücke auf die Fahrbahn hinunter die Momente des Abbremsens und Anfahrens zu kaugummiartig gedehnten Szenen. Mit ihrem ziellos herabtropfenden wie stockenden Bilderstrom zeigt Bartana, dass das ritualisierte Gedenken primär nicht die Erinnerung an die menschlichen Schicksale der getöteten israelischen Soldaten oder der Terroropfer hervorruft, sondern wie die eigene Ohnmacht das Alltagsleben infiltriert.
Mehr Texte von Claudia Marion Stemberger

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Betrifft: Israel. Aktuelle Fotografie und Videokunst
14.12.2007 - 24.02.2008

Jüdisches Museum Berlin
10969 Berlin, Lindenstraße 9-14
Tel: +49-(30) 259 93 300, Fax: +49-(30) 259 93 409
Email: info@jmberlin.de
http://www.juedisches-museum-berlin.de/
Öffnungszeiten: Montag: 10-22 Uhr, Dienstag-Sonntag: 10-20 Uhr


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