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Birgit Jürgenssen - Fotos, Rayogramme, Polaroids und Solargrafiken aus den 1970er Jahren: Nachlass zum Nachdenken

Man kennt das ja mit den Hinterlassenschaften. Man stelle sich vor, Robert Musil hätte es jemals zu einer Art Ende gebracht mit seinem "Mann ohne Eigenschaften", er hätte keinen "Nachlass zu Lebzeiten" edieren können, denn es wäre womöglich auch kein posthumer angefallen. Oder Kafka: Nicht auszudenken, hätte sich Max Brod an die berühmte Verfügung gehalten und ein Stück Weltliteratur wäre dem Vergessen in den Rachen geworfen worden. Hubert Winter ist es zugefallen, sich um das Vermächtnis seiner langjährigen Lebenspartnerin Birgit Jürgenssen zu kümmern, und hier ist seinerseits eine veritable Planung, um nicht zu sagen Konstruktion von Nachlass nötig. In seiner Galerie präsentiert Winter nun erste Extrakte aus dem umfangreichen Konvolut. Birgit Jürgenssens spezielle Qualitäten eines Oeuvres mit, unter und nach dem Feminismus sind mittlerweile erkannt und könnten perfekt eingespeist werden in die Gefräßigkeit von Angebot und Nachfrage. Doch die Frage ist zweifellos, ob Birgit Jürgenssens ureigene Mentalität, ihre Nachdenklichkeit und ihr Hang zum Innehalten dem nicht entgegenstehen. Die Behutsamkeit, deren es bedarf, um eine der wichtigsten weiblichen Positionen in Österreichs Kunst des 20. Jahrhunderts in das ihr gebührende Licht zu rücken, bleibt in Winters Mise-en-scène jedenfalls gewahrt. So sind für den Moment in erster Linie Fotoarbeiten zusammengekommen, Polaroids, Pocketformate und sowieso eher Kleindimensioniertes, Beispiele insgesamt aus Birgit Jürgenssens früher Arbeit, in der das Tastende, Suchende und sich selbst Umkreisende, das sie ohnedies nie losließ, in voller Kenntlichkeit dasteht. Kameraperspektiven in den Spiegel, lapidar, dem Augenblick geschuldet, in Schnappschussästhetik werden einzeln und in Dreier-, Vierer-Kombination vorgeführt, alles ohne die üblichen Kunstmarktavancen mit Blow Up, Kaschierung und Alu-Bond. Einzig die Passepartouts werfen einen Schimmer möglicher Kostbarkeit. Doch von Prätention keine Spur. In ihrer Nonchalance und Zurückhaltung passt diese Präsentation wunderbar zu Birgit Jürgenssen und den dreissig Jahren ihres Schaffens. Ein Nachlass zur richtigen Zeit. Jetzt muss noch ein Museum kommen und ihn übernehmen. Zur Gänze.

Mehr Texte von Rainer Metzger

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Birgit Jürgenssen - Fotos, Rayogramme, Polaroids und Solargrafiken aus den 1970er Jahren
09.11.2006 - 13.01.2007

Galerie Hubert Winter
1070 Wien, Breite Gasse 17
Tel: +43 1 524 09 76, Fax: +43 1 524 09 76 9
Email: office@galeriewinter.at
http://www.galeriewinter.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 11-18h
Sa 11-14h


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