Werbung
,

Wiener Linien - Kunst und Stadtbeobachtung seit 1960: Gelegenheit zu einer kleinen Verzweiflung

Franz Kafkas Landvermesser fand sich auf seinem unendlichen Weg zum "Schloß" an einem leeren Ort wieder, der sein Schicksal werden würde. "Gelegenheit", so läßt Kafka seinen Helden K. angesichts der verschneiten Einöde denken, "Gelegenheit zu einer kleinen Verzweiflung, wenn ich nur zufällig, nicht absichtlich hier stünde." Doch ist K. natürlich absichtlich hier. Die Künstler, die für "Wiener Linien" im neuerdings so genannten Wien Museum die Stadt Wien ins Konzept bannen, sie sind auch absichtlich hier. Sehr viel Wien auf einmal findet statt. Es gibt Orte - und Kafkas Prag, in dem sich Steven Soderbergh einst für seinen dem Schriftsteller gewidmeten Film hoffnungslos verfangen hatte, gehört ebenfalls dazu - denen das Taghelle in dem Moment abhanden kommt, da man ihrem Eigenen und Eigentlichen auf die Schliche kommen will. Wien ist genauso. Wien ist, wenn Künstler wie Werner Kaligofsky sich seiner annehmen, labyrinthisch - wo es doch in seiner Urbanistik des Konzentrischen so überschaubar daherkommt. Wien ist, etwa bei Elfriede Mejchar oder Johannes Faber, die Brache ins Umland hinein - wo ihm doch, etwa mit der Donauinsel und dem Wienerwald, Peripherien eignen, um die es die ganze Welt beneidet. Wien ist, wenn Hans Schabus rudert, unterirdisch - wo sich doch außer dem dritten Mann alles im Oberflächenglanz der Seitenblicke abspielt. Leo Kandl fotografiert den White Trash im Weinhaus. Bodo Hell macht Wortspiele mit verfallenden Fassadeninschriften. Günter Brus rennt weißlackiert über den Heldenplatz. Heinz Cibulka spielt den Kaisermühlen Blues. Andreas Fogarasi bildet 70 Versuche ab, Einkaufsstraßenfeeling per "Bleib in Dornbach" oder "Alt Penzing. Einkaufen rund um die Nisselgasse" unter die Leute zu bringen. Wäre Wien so, wie es die Ausstellung zeigt, böte es allerdings Gelegenheit zu einer kleinen Verzweiflung. Doch was kümmert uns Wien, wenn es eine Ausstellung gibt. Und die ist, in der Dichte und schieren Quantität an Dokumenten, sowieso das glatte Gegenteil: Gelegenheit zu einer kleinen Euphorie.
Mehr Texte von Rainer Metzger

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Wiener Linien - Kunst und Stadtbeobachtung seit 1960
29.04 - 05.06.2004

Wien Museum
1040 Wien, Karlsplatz
Tel: +43 1 5058747-0, Fax: +43 1 5058747-7201
http://www.wienmuseum.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 09-18, Sa, So 10-18 h


Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
Eine Gelegenheit, nicht zu verpassen
Io Wögenstein | 29.04.2004 11:00 | antworten
Der Artikel klingt vielversprechend. Neugierig und gespannt werde ich bei meinem nächsten Wienaufenthalt die Wiener Linien verfolgen. "Wie schön ist doch Wien mit Wienern"
Eine Gelegenheit, nicht zu verpassen
Io Wögenstein | 29.04.2004 11:15 | antworten
Der Artikel klingt vielversprechend. Neugierig und gespannt werde ich bei meinem nächsten Wienaufenthalt die Wiener Linien verfolgen. "Wie schön ist doch Wien mit Wienern"

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: