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Praxis der (fehlenden) Vereinbarung II

Vor der Ausstellung ist nach der Ausstellung

Da sich erfahrungsgemäß Probleme mit (fehlenden) Vereinbarungen bzw. Unzufriedenheit mit getroffenen Vereinbarungen erst nach Abschluss der Projekte zeigen, empfiehlt sich vor Beginn der Vorbereitungen eine simple Denkaufgabe mit - wie wir sehen werden - weitreichenden Konsequenzen: Wie wird die Bilanz der Beteiligten nach Abschluss der Ausstellung/ des Projektes aussehen? Wird der Künstler auch zufrieden sein, wenn er/sie nichts verkauft? Wer wird welche materiellen Werte (Material, Kunstwerke, Geräte) danach verwerten können? Welche anderen Vorteile werden die Beteiligten aus dem Projekt erzielen können? Insbesondere die Fragen nach dem Eigentum an eigens für eine Ausstellung produzierten Kunstwerken oder deren Bestandteilen entpuppt sich in Zeiten verstärkter Auftrags- und Projektorientierung als bisweilen "haarig". In der hier gebotenen Kürze sollen deutlich mehrere Mythen dementiert werden:

Mein Kunstwerk gehört mir
Wurden nach dem Konzept des Künstlers die Materialien vom Auftraggeber direkt bestellt und bezahlt, und auch noch die Herstellung vom Veranstalter direkt bei den jeweiligen Spezialisten beauftragt (ein im heutigen Kunstgeschehen absolut üblicher Fall) entsteht das materielle Eigentum am Kunstwerk direkt beim Veranstalter und es bedarf UNBEDINGT einer Vereinbarung über das zukünftige Schicksal des Werks. Dies ist im beiderseitigen Interesse, da sonst eine Pattstellung droht, in der der physische Eigentümer (z.B.: das produzierende Museum) über keinerlei Verwertungsrechte verfügt, da diese beim Urheber verbleiben, doch der Urheber wiederum - mangels Anspruch auf Eigentumsübertragung - keine Möglichkeit hat über das Werk zu verfügen. Oft bleibt als brachialer Ausweg aus diesem Patt nur die Zerstörung des Werkes, die zumindest sicherstellt, dass keiner der Partner einen Vorteil aus dieser Situation ziehen kann. Andererseits ist es auch durchaus üblich, die Pflicht zur Zerstörung als Veranstalter zu übernehmen, wenn der Künstler sicherstellen will, dass eine temporäre, ortsspezifische Arbeit nicht über die Hintertür den Kunsthandel erreicht.

Ein Kunstwerk darf nicht zerstört werden
Doch! Zumindest in Österreich und Deutschland - und vielen anderen Rechtsordnungen - steht es dem Eigentümer frei, sein Eigentum (auch wenn es ein Kunstwerk ist) zu zerstören. Das Urheberrecht schützt vor Verfremdung, Verunstaltung, Bearbeitung und ähnlichen Beeinträchtigungen, doch nicht vor der Zerstörung wenn nichts Gegenteiliges vereinbart wurde. Ein illustrativer realer Fall: Einer Eigentümerin eines Freskos mit Nacktdarstellungen wäre es untersagt die Figuren ohne Einverständnis des Urhebers "anzuziehen", doch wäre sie nicht daran zu hindern, das Fresko als Ganzes abzuschlagen. Vor der Ausstellung von temporären Werken könnte/sollte daher vereinbart werden, dass für den Fall einer geplanten Zerstörung dem Künstler das Recht zur Übernahme in sein Eigentum eingeräumt wird.

Vorausschau auf die Nachschau
Natürlich ist der Stand der Dinge nach Beendigung eines Projektes nicht immer exakt vorauszusehen. Diesbezügliche Unwägbarkeiten können am einfachsten mit Wenn-Dann-Sätzen im Vorhinein vereinbart werden. Beispiele: "Wenn die Arbeit verkauft wird, bekommt die produzierende Institution die Produktionskosten (zum Teil) zurück. Wenn nicht, kann der Künstler (nach einer bestimmten Zeit) frei darüber verfügen." Oder: "Wenn die Arbeit temporär bleibt, gilt Honorar X, wenn sie dauerhaft übernommen wird, gilt Honorar Y." Oder: "Wenn die Förderung bewilligt wird, zahlen wir einen Katalog, wenn nicht dann nicht." Eine derartige Vorausschau der möglichen Szenarien nach Ende des Projektes liefert auch einen handhabbaren Ansatz für die oft emotionsbelastete Frage nach der Notwendigkeit von Ausstellungshonoraren. Immer noch umstritten, zeichnen sich jedoch anhand dreier Gruppen gewisse Standards ab, die ihren Anhaltspunkt (neben dem Marktwert der Beteiligten) auch in einer "vorausschauenden Rückschau" finden. Verbleiben dem Künstler nach Beendigung einer Ausstellung keinerlei marktfähige Werte (Objekte, Materialien, Geräte etc.) oder konkrete andere Benefits (Stipendium, Atelier, Katalog etc.) werden Honorare immer üblicher. Verbleiben dem Künstler solche Werte, kann das Honorar bis auf null sinken. Übersteigt der Wert der an den Künstler überlassenen Werte übliche Honorargrößenordnungen, eignen sich verschiedene Rückerstattungsmodelle für die finanzierende Institution oder der Künstler (oder seine Galerie) beteiligt sich direkt an den Kosten, um somit den Anspruch auf das Werk von Beginn an zu sichern. Zweifeln Sie also vor Arbeitsbeginn an der Qualität einer angeboten Vereinbarung, dann nehmen Sie sich die Zeit, um darüber nachzudenken, wie Sie ein paar Monate nach Beendigung des Projektes auf eben dieses zurückblicken wollen. Wie viele Belegexemplare wollen Sie im Regal haben, wie viele Photos im Album? Ist ihnen eine flüchtige Erinnerung und etwas Geld am Konto lieber als ein Lager voll mit (potentiell) handelbarer Kunst? Egal ob als Veranstalter oder als Künstler. Denken Sie voraus und formulieren Sie darauf aufbauend in einfachen Sätzen ihre Wünsche!

Dieser Text ist eine gekürzte Version des Vortrages von Martin Fritz, gehalten im Depot (Breite Gasse 3, 1070 Wien www.depot.or.at) am 25. Februar 2003 Teil eins erschien im artmagazine am 29. Jänner 2004

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