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Praxis der (fehlenden) Vereinbarung I

"Pacta sunt servanda - Verträge sind einzuhalten". Ja wenn es sie gibt. Meist nach dem Konflikt wenden sich KünstlerInnen, KuratorInnen, MuseumsdirektorInnen oder GaleristInnen an die Rechtskundigen und wünschen Aufklärung. Was denn rechtens sei? Ob denn das Werk tatsächlich zurückerstattet werden müsse? Ob das Honorar angemessen wäre? Warum den der Galerist nicht zahle oder wie man verhindern könne, dass das schon verkaufte Werk auch wirklich übergeben werde.

Frustrierend meist die Antwort der Juristen: "Es käme darauf an!" und vor allem: "Was war denn vereinbart?" In 75 % Prozent der Fälle lautet die Antwort: "Darüber haben wir nicht gesprochen!" oder "Es war doch allen klar wie es gemeint war!"

Die meisten Geschäftsfälle im Kunstbereich unterliegen der Vertragsfreiheit. Das heißt, dass sich das Gesetz primär darauf zurückzieht zu regeln, dass gelten soll, was zwei (oder mehr) geschäftsfähige Partner vereinbaren soweit es nicht sittenwidrig ist, keine Täuschungen, Drohungen oder andere gesetzwidrige Druckmittel verwendet wurden. An dieser Stelle wird auch gleich darauf hingewiesen, dass Verträge - bis auf wenige in diesem Kontext nicht allzu relevante Ausnahmen - formfrei geschlossen werden können, und dass es für rechtliche Beurteilungen meist irrelevant ist, ob über einem Schriftstück "Vertrag", "Vereinbarung" oder gar nichts steht.

Schriftlichkeit ist auch nicht vonnöten, wobei die Popularität von Email zu einer oft unterschätzten Verschriftlichung der Beziehungen geführt hat. Die praktische Erfahrung zeigt jedoch, dass in den meisten Konfliktfällen nicht die fehlende Beweisbarkeit einer Vereinbarung (z.B. wegen nur mündlicher Vereinbarung) das Problem darstellt, sondern das Fehlen derselben. Was fehlt ist die transparente und offene Interessensabwägung der Beteiligten vor Projektbeginn, die vorausschauende Besprechung möglicher Konfliktszenarien und eine gründliche Aufarbeitung der notwendigen Checklists. Ob diese in der Form von protokollierten Besprechungen, strukturierten Email-Austausches oder schlicht als konzentriertes Gespräch erfolgt, ist meist zweitrangig.

In den allerseltensten Fällen enden derartige Abklärungen mit einem formellen Vertragsdokument, doch überraschend wenige Partner stellen getroffene Vereinbarungen in Frage. "Most people keep contracts because most people keep contracts" schreibt Seth Siegellaub in den Vorbemerkungen zu seinem Künstler Rechtsabtretungsvertrag von 1971 und es kann ergänzt werden, dass sie dass auch tun, wenn sie - meist ohne es zu wissen - den Vertrag mündlich, per Email oder im Korrespondenzweg getroffen haben.

Es ist also vieles eine gültige Vereinbarung doch was ist eine gute? Es kommt eben darauf an. 0 Euro Honorar kann wunderbar sein und 100.000 Euro ein Skandal. Einmal liegt alle Macht beim Künstler, dann weder beim Kurator und ein drittes mal sollen die Käufer alle Früchte tragen. Junge Künstler werden großen Museen nicht die Ausstellungspolitik bestimmen und die mächtige Galerie wird schwer davon abgehen ihre Kaufkraft gegenüber den von ihr vertretenen Künstlern auszuspielen.

Doch halt! Die "mächtige" Galerie wird meist durch bekannte Künstler mächtig und schon verkehrt sich das Gleichgewicht des Schreckens. Oder ein anderes Beispiel: Braucht der junge Künstler den Kurator oder muss sich nicht der Kurator immer wieder durch das "Aufspüren" unbekannter Positionen beweisen. Wer braucht wen also? Was steht Vereinbarungen erfahrungsgemäß im Wege?

Es folgen einige sicher bekannte Muster: Unreflektierte Harmonie("Wir ziehen alle am selben Strang!"), Unausgesprochene Interessensgegensätze (" Ich tu es ja nur für dich!"), Machtgefälle (" Ich war so froh, dass er/ sie mich/ bei mir ausstellt") Stillschweigende Annahmen ("Ich dachte der Preis wäre für alle vier Stück"), Fehleinschätzung der Rahmenbedingungen ("Der Sponsor hat etwas gegen die Arbeit") Nachträgliche Information ("X bekommt aber mehr!") oder mangelnde Vorausschau ("darüber reden wir später") zählen zu den häufigsten Gründen für nicht getroffene Vereinbarungen.

Grundvoraussetzung für eine Kultur der Vereinbarung ist also das grundsätzliche Wissen um die Vereinbarkeit der jeweiligen Beziehung und eine klare Analyse der jeweiligen Prioritäten und Interessen. Und vor allem: Vereinbarungen können auch NICHT zu Stande kommen und dann wissen beide Seiten woran sie sind, und gehen konfliktlos und getrennt ihre Wege!

Dieser Text ist eine gekürzte Version des Vortrages von Martin Fritz, gehalten im Depot (Breite Gasse 3, 1070 Wien www.depot.or.at) am 28. Jänner 2003

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