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Edith Tudor-Hart: Dem Dunkel entrissen

Durch den Nachlass ihres Bruders Wolf Suschitzky, der als Fotograf und Kameramann vornehmlich in Großbritannien Furore machte, gelangte auch der Nachlass von Edith Tudor-Hart in Form von Negativen an den Fotohof.[1] Letztere arbeitete das Team des Fotohofs neu aus und entdeckte dadurch die Arbeitstechniken der Künstlerin.

Das Spätwerk von Tudor-Hart umfasst ihre wohl bekannteste Fotoserie „Moving an Growing“ aus 1952, in der Sie im Auftrag des englischen Erziehungsministeriums Kinder in Bewegung fotografierte.

Grundlegender Gedanke dieser Fotografien ist, dass Kinder die Welt durch Bewegung begreifen. Edith Tudor-Hart, die selbst in Wien in den 1920er Jahren eine Ausbildung als Montessoripädagogin absolvierte und auch mit Eugenie Schwarzwald und deren Kreis 1924 Zeit am Grundlsee verbrachte, war überzeugt, dass der körperliche Ausdruck von Kindern ihr seelisches Wohlbefinden steigern könnte.

Die Fotografien zeigen Kinder, die auf Seilen und Stangen balancieren. Buben die in einer Ruhepause im Ringen ihre Oberkörper aneinander biegen. Einige Fotografien zeigen tänzerischen Reigen, manchmal auch Kinder in Stoffbahnen gehüllt. Die Lust am Verkleiden und am Theaterspielen wird dadurch sichtbar. Tudor-Harts Fotografien haben zweifelsohne eine theatralische, tänzerische ja sogar musikalische Note. In manchen Aufnahmen scheinen die Kinder aus dem Bild heraustanzen.

An Hand der originalen Negative der Fotografin gelang es dem Fotohof Abklebungen sichtbar zu machen, die die Fotografin vorgenommen hatte um einen bestimmten Bildausschnitt ins Zentrum zu rücken. Auch kann man die Fotolampen sehen, die Tudor-Hart für die Aufnahmen arrangiert hatte. Hier werden Details sichtbar, die in den bisher bekannten Prints nicht zu sehen waren.

Neben den Arbeitstechniken der Künstlerin, gelingt es dem Fotohof mit der Serie „Moving and Growing“ aus 1952 eine der wenig erhaltenen Serien dieser Zeit von Tudor-Hart zu zeigen. Es war in den 50er Jahren als Edith Tudor Hart auf Grund ihrer Spionagetätigkeit für die Sowjetunion mehrmals vom britischen Geheimdienst aufgesucht wurde und Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen musste. 1951 vernichtete sie einen Großteil ihrer Negative.

Aus früheren Jahren blieben noch zwei weitere Zyklen erhalten die nun in Salzburg zu sehen sind. Eine Serie über die „Wartime Nursery Guildford“ in Somerham von 1941, die eine Art Unterbringung für Frauen und Kinder während des „Blitz“ war[2]. Die schwarz-weiß Fotografien vermitteln sehr treffend das Zusammenrücken der Frauen, ihre Beklemmungen aber auch ihre Scherze.

Eine dritte Serie ist einer Reportage über die „Bromley Art School“ gewidmet. Da sind zeichnende Kleinkinder an der Staffelei zu sehen und Kinder, die nach einer ärztlichen Untersuchung entspannt den Raum verlassen.

Das Ideal eines aufrechten glücklichen „neuen Menschen“ zu schaffen hat Edith Tudor-Hart ihr ganzes langes Leben – 1901-1973 - beschäftigt. Gut, dass der Fotohof jetzt einen Teil dieses fotografischen Schatzes gehoben hat.

 

[1] Der Fotohof präsentierte im Sommer 2020 mit „No Resting Place“ eine groß angelegte Retrospektive des Fotografen Wolf Suschitzky.

[2] Der Blitz ist die britische Bezeichnung für die schweren Bombardements, dem England von September 1940 bis Mai 1941 seitens der deutschen Luftwaffe ausgesetzt war.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Edith Tudor-Hart
09.04 - 21.11.2020

Fotohof archiv
5020 Salzburg, Sparkassenstraße 2
Tel: +43 662 8492 96
Email: fotohof@fotohof.at
www.fotohof.at
Öffnungszeiten: nach Vereinbarung


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