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Die Galerie als social space

Das Ende von Gavin Brown´s Enterprise markiert vielleicht das langsame Ende einer Idee, die die inspirierende Kraft einer Generation von GaleristInnen war, in der letzten Zeit aber immer schwieriger umgesetzt werden konnte. Zwar steigt Gavin Brown als Partner bei Barbara Gladstone ein, aber das Zusperren einer der innovativsten und kreativsten Galerieräume der letzten Dekaden ist doch ein Schock für alle, die in einer Galerie mehr als nur eine Verkaufsplattform sehen. Was sind Galerien denn anderes als eine Einladung an die Öffentlichkeit, Tausende Quadratmeter privat finanzierter Ausstellungen gratis zu besuchen? Die zum Überleben notwendigen Verkäufe finden ohnehin meist in Büros, Showrooms oder auf Kunstmessen statt. Das Mitgestalten von Karrieren und Märkten für progressive KünstlerInnen, die Möglichkeit zum globalen Kunstgeschehen beizutragen, bedeutende Museen und wichtige SammlerInnen vom eigenen Programm zu überzeugen, Netzwerke mit gleichgesinnten GaleristInnen zu bilden, und nicht zuletzt über aktuelle Diskurse zu informieren, gehören zu den Grundpfeilern dieser Idee. Dieses Modell hat nun Schlagseite bekommen.

Noch einmal in Erinnerung gerufen sei die 26-jährige Story von GBE: aufgewachsen in London, ging Gavin Brown als Künstler nach New York. 1993 mietete er ein Zimmer im Chelsea Hotel und machte eine Pop-Up Ausstellung mit Werken der befreundeten Künstlerin Elizabeth Peyton.

Danach eröffnete er reguläre Galerieräume zunächst in SoHo, später zog er als Erster nach Chelsea, von da weiter ins West Village. Von 2015 an bespielte die Galerie ein riesiges, mehrstöckiges, ehemaliges Fabriksgebäude in der 127th Street in Harlem. Parallel dazu hatte Gavin Brown immer auch auf Projekte im erweiterten sozialen Umfeld gesetzt: Die Bar „Passerby“ an der 15th Street, eine Kantine gemeinsam mit dem Künstler Rirkrit Tiravanija in Upstate New York, und er war Co-/Founder von Project Spaces in Los Angeles und Rom.

Mit der Galerie als kommerziellen Raum war immer auch die Idee eines social space verbunden. Nicht nur SammlerInnen, KuratorInnen, KritikerInnen und KünstlerInnen, die ein- und ausgingen, sondern vielmehr ein Treffpunkt all derer, die an der Szene teilnehmen und Teil einer Community sein wollten: seien es BesucherInnen, oder Studierende, gleichgültig ob arm oder reich. Und die Community entwickelte sich tatsächlich und setzte sich mit jeder nächsten Künstlergeneration, die im Programm der Galerie auftauchte, fort.

Doch das Business ist hart. Der Schritt, die Galerie zu schließen, ist mehr als verständlich, zeigt er doch die derzeitigen Grenzen eines Kunstmarktes für Galerien auf, die sich in erster Linie zum Ziel gesetzt haben, für KünstlerInnen da zu sein, Talente zu entdecken und aufzubauen. Obwohl viele an der Art Basel und mit ihren KünstlerInnen auf wichtigen Biennalen vertreten sind, ist es ökonomisch doch immer ein Tanz auf dem Vulkan. Bei zu vielen ist das Eis, auf dem wahnsinnig große Räume und Träume entstehen, sehr dünn. Die großen Umsätze werden zunehmend von wenigen Mega-Galerien getätigt, mit ihren weltweiten Dependancen in Paris, Los Angeles oder in Hongkong. Die Auktionshäuser sind in den letzten zwanzig Jahren nicht nur aktiver Bestandteil des globalen Business geworden, sondern setzen Akzente und geben die Richtung vor. Online-Auktionen, exklusive Präsentationen und luxuriöses Marketing. Und die Ansage einer „transparenten Preisfindung“. Wie können sich mittelgroße und junge Galerien positionieren, wenn der Handel nur mehr zwischen Mega-Galerien und Multimillionären stattfindet? Und das gerade in einer wirtschaftlichen unsicheren Zeit.

Gavin Brown meint zur aktuellen Krise: „Sich vorzustellen, dass wir alle wieder wie gewohnt mit dem Geschäft beginnen können, ist eine kollektive Täuschung.“

Gavin Brown´s Enterprise verkörperte eine Galerievision, die in den 90er Jahren eine ganze Generation von Gleichgesinnten erfasste. Sei es in New York, London, Berlin oder Turin. Und ja auch in Wien, wo in dieser Zeit zahlreiche Galeriegründungen stattfanden, entstand ein professioneller Kunstmarkt. Eine Vielzahl an KünstlerInnen und deren internationale Laufbahn wurden dadurch hier sichtbar gemacht und haben das Kunstgeschehen der letzten 20, 30 Jahren wesentlich geprägt. Der Beitrag der Wiener Galerien zum Kulturangebot in dieser Stadt und zum lebendigen Soziotop einer mittlerweile internationalen Kunstszene wird leider von der Politik und der medialen Öffentlichkeit oft unterschätzt, wenn nicht gar ignoriert. Was für ein Unterschied zu der Wahrnehmung von Galerien in New York!

Dorthin zurück: jeder Umzug von Gavin Brown´s Enterprise in eine andere neighbourhood war auch ein politisches Statement. Das Chelsea der 90er Jahre war ein Ort riesiger Industriehallen und Fleischmärkte. Nicht das glamouröse Bohèmeviertel von SoHo. Und war es ein Zufall, dass gerade in Harlem und zum Amtsantritt von Donald Trump ein afro-amerikanischer Künstler wie Arthur Jafa im Programm auftauchte, der mit dem Video „Love is the Message, the Message is Death“ eines der vielbeachtesten und wichtigsten Kunstwerke der letzten Jahre geschaffen hatte?

Eine Galerie ist ein transitorischer Raum, der von der Vision und Überzeugungskraft der GaleristInnen geformt wird. Gavin Brown´s Enterprise war einer der Überzeugendsten.

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Abbildung: Gavin Brown's Enterprise, Foto Courtesy Galerie

Mehr Texte von Andreas Huber

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