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Anselm Kiefer - Für Walther von der Vogelweide: von bluomen eine bettestat

„Für Walter von der Vogelweide“ titelt Kiefer den 18-teiligen Zyklus von großformatigen Bildern, der sich an dessen hochmittelalterlichem Gedicht „Unter der Linde“ orientiert. Jenes erzählt von einem verbotenen Schäferstündchen über Standesschranken hinweg. Der Geliebte streut der Angebeteten ein Bett aus Blumen und nur die geknickten Halme sowie eine Nachtigall sind Zeugen für den Liebesakt.

Inspiration für die Paraphrase des Gedichts waren für Kiefer Spaziergänge entlang der Wiesen und Felder Südfrankreichs, wo er in Barjac ein Atelier besitzt. Die Halme, Disteln und das Gras waren ausgedörrt und schimmerten in allen Ocker-, Gelb-, Grün- und Rottönen. Der Künstler verwandelte das Feldstück in seiner opulenten Pracht in Malerei, wobei er den Moment festhält kurz bevor ein Gewitter oder der Mäher kommt.

Kiefer bringt die Fülle, das zum Bersten volle Leben mit fast schon skulptural aufgetragenen Farbschichten zum Leuchten. Er arbeitet teilweise Strohhalme in die Oberfläche ein, übermalt sie und zieht Furchen wie mit einem Pflug in die Gemälde. Er verwendet Acrylfarbe, Schellack, Holz, Kalk und Blattgold und schichtet dies auf die bis zu 280x390 cm großen Leinwände. Der Materialauftrag trifft den Betrachter mit voller Wucht, da es kein perspektivisches vorne oder hinten des Bildgrundes gibt. Der Auftrag dominiert die ganze Breite und Höhe der Fläche. Vereinzelt sind am oberen Bildrand Satzfragmente aus dem Gedicht von Walter von der Vogelweide zu erkennen.

Anselm Kiefer, der sich sein Künstler-Leben lang mit Mythologien und christlicher Symbolik beschäftigt hat, entwickelt in diesem Werkzyklus einmal mehr seine eigene Ikonographie. So appliziert er auch immer wieder eine Sense oder Sichel vor dem Bildgrund. Der Schnitter, der Tod oder Chronos spiegelt sich in diesem Symbol wieder. Ein Gedanke, der auch im Titel eines Bildes zum Tragen kommt: „Eros - Thanatos“ wird ein Bild dieser Serie genannt und umspannt somit den gesamten Themenstrom der Kunst Kiefers.

Anselm Kiefer gelingt in den 2019/20 entstandenen Werken eine überwältigende Darstellung von flirrendem Sommerlicht, Mohnblumen und Fantasien von Schäferstündchen und deren Vergänglichkeit in uns wach zu rufen.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Anselm Kiefer - Für Walther von der Vogelweide
25.07 - 03.10.2020

Galerie Thaddaeus Ropac
5020 Salzburg, Mirabellplatz 2
Tel: +43 - 662 881 393, Fax: +43 - 881 39 39
http://ropac.net
Öffnungszeiten: Im August Mo-Sa 10-18 h
Di-Fr 10-18, Sa 10-14 h


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