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Individualverkehr(t): Kunst gegen Stau

Roland Haas, Leiter des Kunstforum Montafon, hat in der Sommerausstellung acht elaborierte künstlerische Positionen zum Thema Individualverkehr der Zukunft versammelt. Dazu möchte die Ausstellung auch der öffentlichen Hand einen Impuls geben: Seit der Bregenzer Thinktank „KAIROS Wirkungsforschung & Entwicklung“ eine Machbarkeitsstudie vorgelegt hat, die den durch den Wintertourismus bedingten Dauerstau im Montafon mit einer Tram-Train-Version um 280 Millionen Euro nachhaltig beenden soll, ist die Diskussion in den zehn Gemeinden der Talschaft entbrannt. Roland Haas findet die Idee spannend und sein Kalkül scheint dahinzugehen, mit kreativen Kunstideen die Verwirklichung des Jahrhundertprojekts in die Nähe des Möglichen zu holen.

Extra für die Ausstellung entstanden sind drei Arbeiten: Erstens Anna Meyers Objekt „next stop clima crisis" gemeinsam mit einem Ölbild, das auf die fatale Verknüpfung von täglichem Verkehrsverhalten und dystopischen Folgen erinnert. Zweitens hat Walter Strobls Ölgemälde „Richtungen II“ eine menschenleere Bahnhofssituation zum Thema, die auch eine Nähe zum Wiener Phantastischen Realismus nicht verleugnen kann. Immerhin ist Strobl ein Schüler von Arik Brauer und Josef Mikl. Drittens kommt ein großes Bild von Moni K. Huber: Die Collage bzw. Gouache auf Leinwand "Remise Sarajevo" zeigt einen verlassenen Trambahnhof in der Hauptstadt von Bosnien.

Im kleinen Black Cube des Kunstforums wird Rainer Ganahls Video „Bicycling Damaskus“ gezeigt, das den Vorarlberger mit Wurzeln in New York und Ausbildung bei Peter Weibel und Name June Paik zeigt, wie er freihändig durch Damaskus radelt und so ein großes Fragezeichen hinter die motorisierte Fortbewegung in den Zivilisationen dieser Welt stellt. Siegrun Appelt zeigt ihre großformatigen Fotografien aus fahrenden Zügen. Das Transistorische der Bewegung stellt die Frage nach der Zeit. Wie gehetzt muss Mensch sein, um immer wieder in kürzester Zeit zwischen den Metropolen dieser Welt hin und her zu rasen? Die Bildhauerin Cäcilia Brown nimmt in ihren Skulpturen das faktische Baumaterial wie Eisenbahnschienen und kontrastiert sie mit rasch folgenden blassen Farbfotos. Originell sind die Bildmaschinen von Clemens Fürtler. Mittels einer Stabocar-Bahn (vergleichbar den geläufigeren Carrera-Bahnen) zeichnet er rasche Bewegung auf, die er in Malereien übersetzt oder auf Videos bannt. Seine Sehnsucht besteht darin so wie die Maler der Renaissance selbst Teil des Bildes zu werden und zu erfahren, was hinter dem Horizont der Kunst zu finden ist.

Gottfried Bechtold zeigt im Kunstforum eine Pocket-Version seines Betonporsches (25 cm lang und 2,5 kg schwer) und außerdem zwei seiner Ölbilder, die er erst in den letzten Jahren zu malen begonnen hat. Es ist natürlich witzig, wenn ein Stillleben mit Blumenfeld gleichzeitig am Himmel ein eben in seine Einzelteile zerfallendes Flugzeug zeigt. Eine echte Kunstperformance alter Schule konnte das Vernissagepublikum am Kirchplatz in Schruns miterleben: Gottfried Bechtold stellte mithilfe eines Baukrans eine 17 Tonnen schwere Ausgabe seines Betonporsches auf den Kirchplatz. Unter den Augen der Dorfpolizisten, der wohlwollenden Präsenz des Bürgermeisters und mehr oder weniger absichtlich gegenwärtigen Passanten wurde die Version aus dem Jahr 2006 direkt vor der Sakristei abgeladen. Es handelt sich dabei um den Abguss eines Porsches der Serie 911, der mit einer Abdeckung versehen war und der in einer Auflage von 10 und 1 Stück als Serie elfelf bei der Ausstellung zum 60. Geburtstag im Kunsthaus Bregenz zwischen Kunsthaus und Landestheater in Bregenz aufgestellt war. Der rasende Stillstand, die sprichwörtliche Geschwindigkeit des Porsche und die Materialtotalbremse Beton werden durch die mitbetonierte enganliegende Tuch-Abdeckung noch einmal gesteigert.

Mehr Texte von Wolfgang Ölz

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Individualverkehr(t)
19.06 - 09.08.2020

Kunstforum Montafon
6780 Schruns, Kronengasse 6
Tel: +43 664 961 77 98
Email: kunstforum@montafon.at
http://www.kfm.at/
Öffnungszeiten: Di-Fr & So 16-18 h


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