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Der-Helden-auf-den-Pferden-Platz

Reiterstandbilder sind Doppelportraits, sie zeigen Mensch und Tier und dabei eine klare Rangordnung. Der Herrscher sitzt im Sattel und beweist die Qualitäten der Führung. Das Pferd steht für das Andere, Ungestüme, Widerspenstige, das sich zähmen lässt. Es dient. Manchmal bäumt es sich auf, doch der Reiter zieht die Zügel an. In eine einfache Gleichung übertragen: Dem subalternen Volk, das anderes im Sinne führt, rebelliert oder aufbegehrt, setzt der Regierende seine Exekutive und den Tritt in den kollektiven Leib entgegen. Deshalb ist das Reiterbild seit alters her nicht nur Würdezeichen von Souveränität, Zuversicht und Übersicht, sondern auch Drohgebärde. Peter Sloterdijk erinnert daran, dass es die Pferde sind, für die sich die Marxsche Utopie verwirklichte. Sie leben die klassenlose Gesellschaft. Tatsächlich werden Pferde seit der Erfindung der Kraftmaschinen fast ausschließlich für Sport und Freizeit gebraucht. Sie sind Vergnügungstiere, edle Züchtungen oder therapeutische Gefährten, keine Lastenträger oder versklavte Gäule. Für die Politik und ihr Repräsentationsbedürfnis wird das Verschwinden der animalischen “Basis” jedoch zum Problem. Boliden lassen sich kaum zur Huldigung einsetzen. Verbrennungsmotoren unterhöhlen die bewährte Herr-Knecht-Metapher. Darum wird im 20. Jahrhundert der berittene Triumphzug durch schrittfahrende Wägen ersetzt. Von Franz Ferdinand bis zu John F. Kennedy lassen sich Souveräne in offenen Automobilen chauffieren. Doch die Limousinen erweisen sich als brandgefährlich, sodass ein Unikum wie das Papamobil erfunden werden muss, ein ulkiges fahrbares Standbild, ein vertikaler Glassarkophag mit lebender Reliquie.

Einer, der noch im offenen Mercedes auf dem Heldenplatz vorfährt, ist Adolf Hitler. Er kennt die lokale Konkurrenz. Die Kriegsherren, in Bronze gegossen von Anton-Dominik von Fernkorn, stehen noch heute einander gegenüber, mit kraftvoll sich aufschwingenden Pferden, mit Siegeszeichen, Waffen und entschlossenen Gesten wie der Heilige Georg. Hitler wählt mit dem Balkon eine andere Höhendifferenz: statt im Sattel auf dem Pferd, plärrt der Gröfaz auf der Terrasse hinunter zu den Massen. Die Wiener hätten keinen Sinn für Plätze, stand kürzlich im Standard zu lesen. Darum müsse der Heldenplatz erhalten bleiben wie er ist, mitsamt “Prinz Eugen, dem größten Feldherrn und Mäzen, den Österreich hervorbrachte, Erzherzog Karl, dem Sieger von Aspern.”* Dass eine demokratische Gesellschaft allerdings weniger restaurative Symbolik braucht als eine kritische Selbstdarstellung ihrer eigenen Geschichte und Legitimation, das wird angesichts dieses verblendeten Historizismus übersehen. Doch jetzt gibt es eine Chance. Die beiden Pavillons, die das Parlament vorläufig beherbergen, werden bald abgebaut. Die Idee, dem Haus der Geschichte dort ein Gebäude zu errichten, ist die richtige Initiative. Der Hauptgrund dafür ist nicht die Platznot des Museums. Die ist übrigens erdrückend und unverständlich, wenn man sich an Antiken in der Hofburg vorbei drängen muss, um die Tür zum 20. Jahrhundert zu finden. Der Hauptgrund ist das öffentliche Zeichen. Die Republik hat es bis heute nicht gewagt, sich an dem geschichtsträchtigen Ort einzuschreiben. Für sie gibt es auf diesem Platz keinen öffentlichen Ort. Wieso eigentlich? Zudem wäre ein Geschichtsmuseum mal eine Möglichkeit für eine neue Architektur mitten im Zentrum.

* Barbara Coudenhove-Kalergi, -->“Hände weg vom Heldenplatz!”, 9. Januar 2020, Der Standard)

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Abbildung: Anton Dominik von Fernkorn, Erzherzog Karl, Bronzeguss, 1853-59, Heldenplatz Wien, Foto: Brücke-Osteuropa © Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Austria

Mehr Texte von Thomas D. Trummer

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