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Kader Attia - Remembering the Future: Kolonialismen überwinden

„Mich interessiert die Obsession des westlichen, modernen Menschen, die Welt zu organisieren“, erklärt Kader Attia. „Mein Werk, insbesondere die Arbeiten, bei denen es um Museologie geht, sind ein Versuch, dieser Form von Kategorisierung zu entkommen.“

Sein Werk kreist um die koloniale Vergangenheit Europas und ihre Folgen. Eine Herausforderung für unseren Kunstbetrieb. Im Kunsthaus Zürich ist Attias erste Einzelausstellung in der deutschsprachigen Schweiz zu sehen. Insgesamt 38 Werke, zum Teil Raum füllende Installationen, sind zu einem eindrücklichen Rundgang gefügt. Die Themen „Verletzung“ und „Reparatur“ spielen eine zentrale Rolle im Œuvre des Künstlers. „Reparaturzahlung“ bedeutet auch Unrecht ausgleichen. In seiner Raum füllenden documenta-Installation von 2012 zeigte Kader Attia die Doppelbedeutung des Wortes auf und analysierte seine unterschiedliche Verwendung in der westlichen und nicht-westlichen Welt. Das Kunsthaus Zürich hatte eine seiner erschütternden überlebensgroßen Holzbüsten, die nach Fotos von „Gueles cassées“, verstümmelte Soldatengesichter aus dem Ersten Weltkrieg, von Holzbildhauern in Afrika skulptiert wurden, schon vor Jahren angekauft. Durch die Maserung der alten Baumstämme sind sie im Ausdruck gesteigert.

Die Einzelausstellung ermöglicht Kader Attia nun die Produktion einer umfangreichen neuen Rauminstallation, mit für den „Westkunstbetrieb“ provokantem Inhalt : „Les entrelacs de l’objet“, 2020. Hier geht es um die Frage der Restitution nicht-westlicher, insbesondere afrikanischer Kulturgüter. In einem Video und in Auszügen im ersten Teil des zeitungsartigen Besucherbooklets lässt er Historiker*innen, Philosph*innen, Aktivitist*innen, Psychoanalytiker*innen und Ökonom*innen zu Wort kommen. Im Raum bilden eine andächtige, ausdauernde Zuschauerreihe 22 afrikanische Masken bzw. Figuren, als würden sie sich zu einem aufmerksamen Tribunal versammeln ; zwischen ihnen können die Besucher*innen Platz nehmen. Die Objekte sind täuschend echte 3-D-Drucke aus Nylon oder Holzkopien. Ihre Schatten werfen sie ins Bild wie lange Fingerzeige aus der Vergangenheit.

Der 1970 als Sohn algerischer Eltern in einem Vorort nördlich von Paris geborene Künstler, wendet sich auch aktuellen Fragen von gesellschaftlichem Unrecht zu, z.B. der Unterdrückung durch Polizeigewalt im Video „The Body’s Legacies : The Post-Colonial Body“, wobei er hier die Black Lives Matter-Bewegung vorweg nimmt. Kader Attia setzt sich für Diversität auch durch die Eröffnung eines alternativen Kulturraumes „La Colonie“ in Paris ein. Dieser Diskursraum musste unlängst leider schließen. Es bleibt die Hoffnung, dass es mit der Ausstellung in Zürich gelingt, seine Inhalte im westlichen Museumsbetrieb und in einer breiten Gesellschaft selbstkritisch zu diskutieren und zu verankern.

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Am 1. November findet das Symposium « Die postkoloniale Schweiz » statt.
Zur Ausstellung erscheint eine dreiteilige zeitungsartige Publikation.

Mehr Texte von Andrea Domesle

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Kader Attia - Remembering the Future
21.08 - 15.11.2020

Kunsthaus Zürich
8001 Zürich, Winkelwiese 4
Tel: +41 (0) 44 253 84 84, Fax: +41 (0) 44 253 84 33
Email: info@kunsthaus.ch
http://www.kunsthaus.ch
Öffnungszeiten: Di 10.00 - 18.00, Mi - Fr 10.00 - 20.00, Sa - So 10.00 - 18.00


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