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Mode Momente - Fotografinnen im Fokus: Muss es immer Mode sein?

Was macht diese Ausstellung so angenehm? Es fühlt sich so an als ob die weitläufigen feudalen Säle im 1. Stock des Linzer Landesmuseums ganz und gar Testosteron-frei wären. Jahrzehntelang wurden Ausstellungen hauptsächlich von Männern allein bestritten, nun ist es einmal umgekehrt: 13 Künstlerinnen füllen die Landesgalerie mit ihren umfassend dargestellten Positionen.

Während die männlichen Kunstakteure nie ein Vorwand gebraucht haben, heisst es hier, die Fotografinnen bilden den „weiblichen” Blick an der „Schnittstelle von Mode, Kunst und Fotografie“ ab. Auch die ausgestellten männlichen Porträtierten sind effeminierte Wesen, oder Personen, die die Ambiguität der Geschlechterrollen thematisieren und auf die gesellschaftlichen Diskussionen um Queer, Transgender, nicht-binär (etc.) anspielen.
Aber warum muss eine Ausstellung von Künstlerinnen, die sich dem Medium Fotografie bedienen, gleich immer mit Mode in Verbindung gebracht werden?

Die Kuratorin der Ausstellung, Ursula Guttmann, ist selbst Bildende Künstlerin und Goldschmiedin. Seit ihrem Textilstudium an der Kunstuniversität Linz ist sie auch in der Mode verankert. Sie versteht das Kuratieren (von lat. „curare“, heilen), als ein „sich kümmern“ und Erweiterung des Kunstschaffens hin zum Kollektiv. Für sie stellte sich eher die Frage: wie bringe ich jene, die an der Schnittstelle von Kunst und Mode arbeiten, ins Museum?

Dazu fand Gutmann im Werk der Fotografin Dora Kallmus (1881-1963) und ihrem Atelier d’Ora einen prominenten Anknüpfungspunkt in der Sammlung der Landesgalerie Linz, das bei einer Gelegenheit nun zum ersten Mal öffentlich gezeigt wird. So zeigen die „Mode-Momente“ Abzüge aus deren Frühwerk ab 1907 und auch Arbeiten ihres Kompagnons Arthur Benda (1885–1969), der das Atelier d’Ora ab 1925, als Dora Kallmus nach Paris ging, in Wien weiter betrieben hat. Wie sie zuvor in Wien, die Stars ihrer Zeit, von Gustav Klimt uns Emilie Flöge und Arthur Schnitzler abbildete, waren es auch in Paris die Größen der Mode- und Kunstwelt von Jeanne Lanvin über Coco Chanel bis Tamara de Lempicka, Pablo Picasso oder Josephine Baker, die d’Oras Fotostudio aufsuchten.

Ausgestellt sind neben Porträts von Damen der Gesellschaft - mitunter in üppigen Negligées - vor allem doch Fotos für die Modehäuser Zwieback und den Schwestern Flöge. Daneben sind Porträts des Hochadels in glanzvollen Roben, die anlässlich der Krönung Karls zum König von Ungarn 1917 entstanden sind, zu sehen.

Aber auch das über 50 Jahre umspannende Schaffen von Dora Kallmus lässt sich sich nicht auf die Mode reduzieren. Nachdem sie die Nazi-Besatzung in einem Bergdorf südlich von Lyon (als einzige ihrer Familie) überlebte, fotografierte sie nach dem Krieg die Flüchtlingslager in Wien und Salzburg und ging in Paris in Schlachthäuser, um die traumatische Erfahrung des Kriegs zum Ausdruck zu bringen.

Mit diesen Arbeiten erfuhr Kallmus späte Anerkennung als Künstlerin. So ist sie nun auch 100 Jahre später wieder vorne mit dabei, wenn es darum geht, die Trennlinie zwischen Auftragsarbeiten für Publikationen und musealen Werken verschwinden zu lassen. Ein gutes Foto ist nicht weniger ein Kunstwerk, wenn es zuvor schon veröffentlicht wurde. Der künstlerische Anspruch der Arbeit zählt.

Caroline Heider verwendet in der Ausstellung überdimensional vergrößerte Foto-Repliken aus dem d’Ora-Benda Studio und verwandelt sie in Origamis. Es erschließt sich aber sich nicht gerade leicht, welchen künstlerischen Mehrwert sie damit generiert möchte.

Jedenfalls steht diese Ausstellung also im Zeichen der "Emanzipation" der Modefotografie von der Gebrauchsfotografie. Sie folgt dem Trend der Migration von der kommerziellen Publikation /Werbung hinein in den Kunst-Kontext und ins Museum. Man denke an die aktuellen Ausstellungen, z.Bsp. des bekannten Vogue-Fotografen Irwing Penn in der Galerie Ropac in Salzburg (noch bis 20. Juli)  oder an Elfie Semotan im C/O Berlin im Amerikahaus (bis 7. September).

Elfi Semotan ist auch die zweite Schlüsselfigur dieser Ausstellung. Sie zählt seit Jahrzehnten zu den international erfolgreichsten Fotografinnen und ist bekannt für ihre als revolutionär bezeichneten Werbekampagnen in den 80iger Jahren, als sie Männer wie weibliche Pin-ups (für Palmers) abbildete oder Beziehungsgeschichten (für Römerquelle) inszenierte. Ein bestimmender Teil ihrer Modefotografie war seit jeher, dass sie sich an den abgebildeten Personen orientierte. So befindet sich auch in der Ausstellung das Porträt eines männlichen Modells, das sich am Boden räkelt, während die Künstlerin Elke Krystufek waagrecht am Sessel positioniert ist.

Nun, zu einem Teil handelt es sich tatsächlich um Kollaborationen zwischen Fotografinnen und ModedesignerInnen, wie bei Cooper & Gorfer, die ihre poetischen, auf den Faröer-Inseln entstandenen „Kostüm-Bilder“ auch mit analogen graphischen Techniken nachbearbeitet haben. Auch die Arbeiten von Marina Faust, die im Pariser Modehaus Martin Margiela als Fotografin arbeitete, leben vom Modebezug. Jakob Lena Knebl der/die/das selbst aus der Modebranche kommt, zeigt in einer kubischen Installation Gender-Versatzstücke, worunter sich auch schauerlicherweise das Stück eines teilweise geschorenen, rosafarbenen, langhaarigen Plüsch-Stoffes befindet. — Dieses Material wurde seit Jahrzehnten allzuoft von weniger innovativen Künstlerinnen als Markenzeichen für Feminines eingesetzt - ob Knebl diesen Umsand reflektiert, sei dahingestellt.

Demgegenüber stehen die Spiegelaufnahmen von Models am Pool von Esther Vörösmarty oder die trashige Brautbilderserie von Luise Hardegg, wie auch Hanna Putz offensichtlich in der Tradition eines Jürgen Teller, oder besser gesagt von Corinne Day (1962- 2010) deren ‚grunge’ Stil die Modefotografie seit den 90iger Jahren nachhaltig beeinflusste.

Anders verhält es sich mit Rita Nowak, die bestens im Kunstbetrieb verankert ist. Sie wehrt sich prinzipiell gegen die so oft vereinfachte Sichtweise, „Fotografie von Frauen“ = Mode-Fotografie. Ihre Herangehensweise ist malerisch, wobei ihre subtil inszenierten, mitunter surrealistisch anmutenden Porträtserien und Landschaftsaufnahmen meist kunsthistorische Bezüge aufweisen. So ist etwa das Bild eines vom Nebel flüchtende Mannes (The Danger of Fear, 2012) in der Schau, von Francisco Goya inspiriert. In der Serie Peonies (2017) wirken die ineinander verschlungen Mädchen-Körper in Bonbon-farbenen Ballett-Tutus auf der Wiese, wie opulente Arrangements von Pfingstrosen - ein Grundthema der niederländischen Meister. Nowaks Porträt der Künstlergruppe Gelitin unter dem goldenen Kuhfladen-Gong im Park von Schloss Damtschach (Mooning, 2012) kommt ganz ohne Textilien aus. Allein deren Pose, die Reihe nackter Popos bezieht sich auf das bekannte Sujet einer Unterwäschefirma und weist also doch indirekt einen Modebezug auf.

Jedenfalls scheint es, als würden die 13 Feen die Landesgalerie Linz gerade wachküssen. Es bleibt zu hoffen, dass die dort Verantwortlichen weiterhin so offen für kreativen Input von Aussen bleiben, sodass es sich für die zeitgenössische Kunst als fixe Adresse etabliert und den immer wieder drohenden Schließgebärden seitens der Politik zu entkommen vermag.

Schließlich könnten Ausstellungen wie diese in Zukunft auch dazu führen, dass die Künstlerinnen   wieder von Geschlechtsumwandlungen zwecks Anerkennung in der Kunstwelt, absehen.

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Zur Ausstellung erschien ein Katalog in der Fotohof edition Salzburg mit Textbeiträgen von Annette Geiger, Ursula Guttmann und Gabriele Hofer-Hagenauer.

Mehr Texte von Renate Quehenberger

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Mode Momente - Fotografinnen im Fokus
19.06 - 15.09.2019

Landesgalerie Linz
4010 Linz, Museumstrasse 14
Tel: +43 732 7720 52200, Fax: +43 732 7720 252199
Email: galerie@landesmuseum.at
http://www.landesgalerie.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-21 h


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