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Ausstellungsbesuchermagnetmaschine

Bereits Anfang März dieses Jahres wurde die neue Landesgalerie Niederösterreich, der prägnante Museumsbau von Marte.Marte Architekten voreröffnet. Damals stand die Architektur im Mittelpunkt, jetzt muss das Haus beweisen, dass es nicht nur zum Anschauen, sondern auch zum Ausstellen da ist.
Gleich mit fünf Ausstellungen wollen Direktor Christian Bauer und Kurator Günther Oberhollenzer beweisen, dass das Haus die hoch gesteckten Erwartungen auch erfüllen kann.

Im Erdgeschoß, auf der kleinsten der fünf Ausstellungsebenen, hat Renate Bertlmann, die ja gleichzeitig den österreichischen Pavillon auf der Biennale von Venedig bespielt (siehe die artmagazine Kritik), sich selbst eine kleine Retrospektive kuratiert. Mit nur wenigen Exponaten gelingt es Bertlmann, die zentralen Aspekte ihrer Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen, Sexualität und Pornografie aufzuzeigen. Den Raum, der sich durch die gebogenen Fensterflächen zur Umgebung öffnet, akzentuiert Bertlmann durch einen Kubus in dessem Inneren, einer Kapelle gleich, der „Corpus Impudicum Arte Domitum“ aufgebahrt liegt. Die Skulptur eines vergoldeten Peniskopfes mit seinem in Binden gewickelten Körper ist umgeben von sechs großformatigen Fotografien, in denen Bertlmann versucht, die männliche Erregung - nun ohne den Penis - nachzuempfinden. An einer der Außenwände des Kubus zeigt sie die titelgebende Arbeit „Hier ruht meine Zärtlichkeit“. Dieses weiße Grab vermittelt jedoch weniger die Trauer um einen Verlust als ein (wissendes) in sich Ruhen oder „ewige Ruhe“ jenseits des Begehrens. Gemeinsam mit den weiteren Arbeiten bildet die Ausstellung ein harmonisches Ganzes, das auch die Möglichkeiten bzw. Limitierungen der Architektur für sich zu nutzen weiß.

Auf Ebene eins setzt sich die von Christian Bauer kuratierte Ausstellung „Ich bin alles zugleich - Selbstdarstellung von Schiele bis heute“, ausgehend vom „großen Sohn“ des Landes Niederösterreich Egon Schiele, mit Fragen der Identität und der Selbstfindung auseinander. Künstlerische (Selbst-)Inszenierungen und -Portraits von Arnulf Rainer bis Jakob Lena Knebl, von Oskar Kokoschka bis Markus Schinwald, sollen in sieben Kapiteln Auskunft geben über Strategien von Künstler*innen die eigene Identität sowohl zu bestimmen als auch zu hinterfragen, ihrem Verständnis von Welt Ausdruck zu verleihen um das Publikum zur Hinterfragung der eigenen Existenz anzuregen.

In Krems beginnt eine der berühmtesten Landschaften Österreichs, die Wachau. Die Ausstellung „Sehnsuchtsräume. Berührte Natur und besetzte Landschaften“ auf Ebene zwei nimmt diese Kulturlandschaft zum Anlass einer künstlerischen Landpartie, die sechs Aspekte des künstlerischen Zugangs zur Landschaftsdarstellung zeigt. Vom romatisch-verklärten Sehnsuchtsort bis zur „Fremde“ und nicht zuletzt den Grenzen und den damit verbundenen aktuellen Fragen von Migration und Ausgrenzung, stellt Kurator Günther Oberhollenzer eine kurzweilige Wanderung zusammen, die großteils aus den eigenen Beständen bestückt wurde.

In diesen beiden Ausstellungen zeigt sich die ganze Problematik der „Landmark-Architecture“ der neuen Landesgalerie. Aufgrund der Wandschrägen können die Ausstellungen, in denen ja fast ausschließlich Zweidimensionales gezeigt wird, nur mit massiven Einbauten realisiert werden. Der Blick auf die Architektur, der von den Planern wohl mitgedacht war, offenbart sich höchstens hinter den Stellwänden und führt meist zu sich verjüngenden Gängen, die schon aus Sicherheitsgründen nicht begehbar sind und schon gar keine Raumerfahrung ermöglichen. Der verständliche Versuch der beiden Kuratoren, möglichst viele Kunstwerke in den Ausstellungen unterzubringen, führt dazu, dass die eng gestellten Wände oft wenig Raum für eine Entfaltung der einzelnen Kunstwerke bieten. Man denkt bei dieser Ausstellungsarchitektur eher an Kunstmessen, als an Museen. Auch eine sinnvolle Besucherführung durch die einzelnen Themenfelder der Ausstellung ist schwierig. Die beiden Kuratoren müssen aus der Not eine Tugend machen, indem sie den Besucher*innen ihren Pacours selbst überlassen und das individuelle Entdecken in den Vordergrund stellen.

Etwas großzügiger gestaltet sich die Ebene drei, in der Heinz Cibulka seinen fotografischen Kosmos ausbreitet, natürlich mit einem Schwerpunkt auf Niederösterreich. Seine Fotografien, Bildgedichte und Digitalcollagen, die um das „einfache“ Leben am Land, seine Riten und Alltäglichkeiten kreisen, eröffnen einen liebevoll-forschenden Blick, der die Assoziationen beflügelt, wenn sich der Blick durch den Raum zur Terrasse und damit zur realen Landschaft hin öffnet.

Seine ganze Qualität entfaltet das neue Museum - und Christan Bauer als Kurator - erst dort, wo die Architektur eigentlich keine Rolle mehr spielt, im klassischen White Cube des Untergeschosses, der die Landesgalerie mit der Kunsthalle Krems verbindet. Dieser beherbergt eine besondere „Personale“, die dem aus Niederösterreich stammenden Wirt und Kunstsammler Franz Hauer gewidmet ist. Hauer, der 1895 von seinem Schwager die Gastwirtschaft „Griechenbeisl“ übernommen hatte, wurde vom Fleischergesellen nicht nur zu einem angesehenen Mitglied der Wiener Gesellschaft, sondern auch zu einem herausragenden Kunstsammler der Moderne. Die Sammlung wurde nach Hauers frühem Tod versteigert. Die Exponate finden sich heute verstreut in Museen und Privatsammlungen weltweit. Die Ausstellung zeigt in lockerer Raumfolge Werke von Oskar Kokoschka, Egon Schiele, Albin Egger-Lienz, Tina Blau und vielen weiteren, die Hauer in nur wenigen Jahren gekauft hatte. Eine umfassende Publikation begleitet die Ausstellung dieses Ausnahme-Sammlers.

Die neue Landesgalerie Niederösterreich wird amSamstag, den 25. Mai mit einem großen Festakt eröffnet. Ab 14 Uhr ist das neue Haus für Besucher*innen kostenlos zugänglich (bis 22 Uhr), ebenso am Sonntag, den 26. Mai von 9 bis 19 Uhr.

-->www.lgnoe.at

Die Ausstellungen:
Renate Bertlmann - Hier ruht meine Zärtlichkeit, bis 29.09.19

Ich bin alles zugleich - Selbstdarstellung von Schiele bis heute, bis 16.08.19

Sehnsuchtsräume. Berührte Natur und besetzte Landschaften, bis 19.04.20

Heinz Cibulka - Bin ich schon ein Bild? bis 29.09.2019

Franz Hauer. Selfmademan und Kunstsammler der Gegenwart, bis 16.02.20

Mehr Texte von Werner Rodlauer

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