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Emil Pirchan - Plakat – Bühne – Objekt: Ein Gesamtkunstwerker neu entdeckt

Wien um 1900, München der 1910er Jahre, das Berlin der wilden 20er, von welchem Künstler kann man schon behaupten, er hätte in just der richtigen Zeit an den richtigen Orten gelebt und gearbeitet? Doch das ist nur eine der erstaunlichen Tatsachen, die einem nun im Museum Folkwang über den Künstler Emil Pirchan (1884-1957) klar werden. Der Plakatkünstler, der Bühnenbildner, der Autor von Künstlermonographien, wie beispielsweise der ersten über Gustav Klimt, immer wieder taucht der Name in den unterschiedlichsten Kunstsparten in den unterschiedlichsten, meist zu jenem Zeitpunkt richtungsweisenden Städten, auf. Was die Prädikate zu dem großen Ganzen eines Künstlerlebens verbindet, wird zur Zeit im Museum Folkwang gezeigt.

Es ist der Inhalt von etlichen Kisten, die vor einigen Jahren vom Enkel des Künstlers, Beat Steffan, gesichtet und aufgearbeitet wurden. Gemeinsam mit Bühnenentwürfen aus der Sammlung des Wiener Theatermuseums, dem Inhalt einiger Archivboxen mit Manuskripten und diversen Plakatentwürfen aus verschiedenen Museen lassen das Œuvre eines Universalkünstlers in seiner ganzen Breite lebendig werden. Pirchan betätigt sich als Grafiker für Drucksorten aller Art, als Entwerfer von Möbeln, Vasen und anderen Einrichtungsgegenständen, von Stoffen und Schmuck, als Autor schreibt er fiktionale und monographische Werke sowie Sachbücher, in München eröffnet er eine Kunstschule für Gebrauchsgraphik und Bühnenbild. Seine wahre Leidenschaft allerdings dürfte das Theater gewesen sein, in dem er all seine Talente ausleben konnte: „Ich bin dem Theater verfallen mit Pinsel und Feder, mit Herz, Hirn, und Hand (…). Also nicht nur Bühnenbilder, nicht bloß Organist an der aufrauschenden Orgel der Bühnenfarben, des Bühnenbildes, des Raumgestaltens bin ich, sondern innig beflissener Diener am Gesamtkunstwerk des Theaters. Jenes Theaters in dem sich eben alle Künste einen zu unserer Zeitkunst, die ein Glied ist in der Kette der Kulturentwicklung.“ Alleine realisiert hat der ausgebildete Architekt lediglich ein einziges Haus und eine Kapelle.

Pirchan, geboren in Brünn als Sohn eines Malers und einer Industrieellentochter, hatte zwischen 1903 und 1906 in Wien bei Otto Wagner studiert, war mit der goldenen Fügermedaille und dem Meisterschulpreis ausgezeichnet worden, publizierte einen ersten Plakatentwurf im ersten Jahrgang der „Hohen Warte“ und auch sonst scheint er in den richtigen Kreisen um die Gründer der Secession verkehrt zu haben. Josef Hoffmann war ihm verwandtschaftlich verbunden. In Wien geblieben ist er dennoch nicht. Die Grundsätze seines Lehrers Wagner hatte er aber verinnerlicht und so wird aus dessen Leitsatz, dass etwas Unpraktisches nicht schön sein könne, ein „Zweckgefühl und Schönheitsgefühl kommen aus einem Kastel.“

Nach seiner Zeit in Wien folgen zwei Jahre als Zeichenlehrer in Brünn, danach wird er in München als Plakat- und Reklamegestalter je nach Themenstellung und Auftraggeber stets den richtigen Ton an Farbe und Avanciertheit finden. Nach 13 Jahren an der Isar folgt ab Anfang der 20er Jahre die Spree-Metropole. Pirchan arbeitet mit Leopold Jessner zusammen, ist als dessen Bühnenausstatter maßgeblich an der legendären „Jessner-Treppe“, einen stufenartigen Bühnenpodest, beteiligt. Auf Berlin folgte ein Engagement in Prag, 1936 schließlich kehrt Pirchan nach Wien zurück, wird als ausserordentlicher Professor für Bühnenbildkunst an die Akademie geholt, 1945 als einer der wenigen politisch nicht belasteten weiter angestellt, 1950 zum ordentlichen Professor berufen.

Es ist ein unglaublicher Schatz, der auf einem Dachboden die Jahrzehnte überdauert hat und es ist der Ausstellung zu wünschen, dass sie womöglich noch in Wien, München oder Berlin zu sehen sein wird. Ebenso wird man bislang wenig oder nicht beachtete Entwürfe nach der eben erfolgten näheren Betrachtung einer vergleichenden kunsthistorischen Einordnung unterziehen müssen. Emil Pirchan, so lässt sich heute feststellen, ist ganz zurecht als großer Plakatkünstler, Bühnengestalter und Autor bekannt. Dass er universeller tätig war, ist eine freudige Überraschung, ob er in einem anderen Bereich zu unrecht verkannt ist, müssen allerdings noch weitere Forschungen zeigen.

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Im Zusammenhang mit der Pirchan-Retrospektive im Museum Folkwang im Nimbus Verlag erschienen: --> Emil Pirchan – Universalkünstler Beat Steffan (Hg.), ca. 368 Seiten, ca. 300 Abbildungen, ISBN 978-3-03850-042-1 Preis: € 44

Mehr Texte von Daniela Gregori

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Emil Pirchan - Plakat – Bühne – Objekt
22.02 - 05.05.2019

Museum Folkwang
45128 Essen, Kahrstrasse 16
Tel: +49 201 88 45 000
Email: info@museum-folkwang.essen.de
http://www.museum-folkwang.de
Öffnungszeiten: Di, Mi, Sa, So 10-18, Do, Fr 10-20 h


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