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Zukunft für ein Jahr

Die Stadt Graz setzt 2020 ein Schwerpunktjahr in der Kultur

„Graz - wer hätte das gedacht ?“ war der erste Claim, der damals, 2003, kommuniziert wurde, als Graz Kulturhauptstadt Europas war. Mit „Graz bleibt Kulturhauptstadt“ wurde dieses Jahr damals beendet. Bis heute haben sich manche der damaligen Kulturinvestitionen behaupten können, wie z.B. das Kunsthaus Graz, das trotz zwischenzeitlicher Forderungen der Stadtpolitik nach mehr Besucherzuspruch und Ausgliederung, immer noch zum Universalmuseum Joanneum ressortiert. Andere Kunstprojekte in der Stadt wurden wieder entfernt, wie etwa der „Uhrturmschatten“ von Markus Wilfling (heute vor einem Einkaufszentrum am Stadtrand) oder der „Marienlift“ von Richard Kriesche, der im Jahr 2007 an die steirische Stadt Hartberg verkauft wurde. Wenngleich die nachhaltigen Effekte solcher Großereignisse immer zu hinterfragen sind hat das Jahr 2003 die Wahrnehmung der Stadt Graz als Kulturstadt nachhaltig geprägt. Heute gedeiht rund um den Schloßberg ein lebendiges Biotop an Kulturinitiativen, Ausstellungshäusern, Galerien und Kunstveranstaltern. Viel experimentelle Räume bieten Platz für Erprobungen und stehen in intensivem Austausch untereinander. Nicht zuletzt hat der Steirische Herbst als jährliches Leitfestival mit der neuen Intendantin Ekaterina Degot ein deutliches kunst- und kulturpolitisches Zeichen gesetzt. (Das artmagazine berichtete --> hier und --> hier). Zu diesem an sich positiven Befund gesellen sich aber in letzter Zeit kritische Stimmen, die sich vor allem um den wachsenden Einfluss der seit 2017 in Graz mitregierenden FPÖ auf die Kulturpolitik sorgen machen bzw. deren erste Versuche, kritischen Institutionen Raum und Förderungen zu entziehen. Von Graz als „Zentrum der Volkskultur“ ist im Regeirungsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ zu lesen, was auch „in der strategischen Ausrichtung des Kulturamtes entsprechend zu berücksichtigen“ sei.
Vor diesem Hintergrund startet der Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler (ÖVP) eine neue Initiative die nichts weniger sein will, als die Neuauflage des Kulturhauptstadtjahres, wenngleich mit geringerem Budget. Immerhin 5 Millionen Euro stellt die Stadt Graz aus dem Budget zusätzlich zur Verfügung, was einer Erhöhung des Kulturbudgets um 10 % entspricht.

„Kultur schafft urbane Zukunft“ ist das Motto der Initiative, zu der Grazer Kunst- und Kulturschaffende sowie die ansässigen Kunstinstitutionen, aber auch Institutionen aus dem Wissenschaftsbereich Projekte einreichen sollen. Ähnlich wie bei der von Christoph Thun-Hohenstein ins Leben gerufenen Vienna Biennale, geht es um Themen wie das zukünftige Zusammenleben, Bildung, Wohnen und Digitales, die kulturell befragt und für die innovative Lösungsansätze unter Einbeziehung der Grazer BürgerInnen entwickelt werden sollen. Ganz auf Partizipation ausgelegt ist auch der Entscheidungsprozess, welche Projekte mit dem vorhandenen Budget umgesetzt werden sollen. Nicht nach dem Prinzip einer Intendanz im Rahmen derer Projekte initiiert und Teilnehmer eingeladen werden soll das Programm für 2020 gestaltet werden , sondern ein Programmbeirat soll aus den eingereichten Projekten jene auswählen, die aus dem Sonderbudget gefördert werden. Geleitet wird der Beirat und ein eigens eingerichtetes Kulturjahrbüro von Christian Mayer, früher an der Kunstuniversität Graz tätig. Weitere Beiratsmitglieder sind u.a. Monika Pessler, Direktorin des Sigmund Freud Museums, Bettina Steindl, Projektleiterin der "Kultur Perspektiven 2024", Christoph Thun-Hohenstein, Generaldirektor des MAK in Wien sowie Darrel Toulon, Ex-Ballettdirektor der Oper Graz. Der Beirat soll aus den eingereichten Projekten jene zur Umsetzung empfehlen, die dem selbst gewählten Programmfokus entsprechen. Einreichen sollen primär in Graz ansässige KünstlerInnen, WissenschafterInnen und Institutionen. Speziell kleine Initiativen und Stadtteilprojekte sind aufgerufen, sich an dem Call zu beteiligen. Kooperationen mit nicht in Graz ansässigen Institutionen sind möglich, sollen aber „auf Augenhöhe“ stattfinden. So will der Programmbeirat verhindern, dass nach dem Starprinzip Projekte oder KünstlerInnen z.B. für Ausstellungen nach Graz geholt werden, ohne dass ein nachhaltiger Effekt daraus generiert werden kann.

Welche Auswirkungen auf die lokale Kunst- und Kulturszene das Kulturjahr haben wird und ob die erwarteten positiven Auswirkungen auch (budgetär) in die Folgejahre übertragen werden können ist derzeit noch völlig offen. Aber immerhin gibt das „Graz Kulturjahr 2020“ der Szene zusätzliche Mittel an die Hand, um wenigstens für ein Jahr lang die Zukuft der zweitgrößten Stadt Österreichs mitzugestalten.

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Weitere Details zum Kulturjahr --> hier
Der Call für Projekte ist bis 18. März 2019 geöffnet. Details dazu --> hier.

Mehr Texte von Werner Rodlauer

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